Amazon scheitert vor Hanseatischem Oberlandesgericht mit Versuch einer Glaubhaftmachung vom „Hörensagen“ – Senat äußert sich auch zu Aussagekraft des „verifizierten Kaufs“
In einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das Esche für einen Online-Händler gegen Amazon betrieben hat, hat das Hanseatische Oberlandesgericht am 9. November 2022 (Az. 7 W 85/22, nicht rechtskräftig) entschieden, dass Amazon die Erfüllung seiner Prüfpflicht als Plattformbetreiber nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat. Auch die Kennzeichnung einer Bewertung durch Amazon als „verifizierter Kauf“ ändere daran nichts.
Bewertungen von Kunden sind mittlerweile für mehr als jeden zweiten Online-Shopper die wichtigste Informationsquelle vor der Kaufentscheidung. Zu diesem Ergebnis kam der Verband Bitkom bereits im November 2020 im Rahmen einer Umfrage.
Den wichtigsten Online-Marktplatz betreibt Amazon. Auf der Webseite von Amazon werden unzählige Kundenbewertungen veröffentlicht. Amazon betreibt also eine Bewertungsplattform. Und der Konzern haftet deshalb für dort verbreitete Bewertungen, wenn er sie nach einem konkreten Hinweis nicht ausreichend überprüft. Doch Amazon versucht immer wieder, sich dieser Verantwortung zu entziehen. Dem hat das Hanseatische Oberlandesgericht nun einen erfreulichen Riegel vorgeschoben.
Ein Online-Händler auf dem Amazon-Marktplatz wehrte sich gegen eine negative Bewertung, weil sie unzutreffende Angaben enthielt. Nachdem Amazon von Esche darauf hingewiesen wurde, kontaktierte eine Mitarbeiterin von Amazon den Rezensenten angeblich per Telefon, um die Bewertung zu überprüfen. Um dieses Telefonat vor Gericht glaubhaft zu machen, legte die Anwältin von Amazon eine von ihr selbst abgegebene eidesstattliche Versicherung vor. Darin gab sie an, mit der Mitarbeiterin von Amazon telefoniert zu haben; diese habe ihr im Telefonat geschildert, dass sie mit dem Rezensenten telefoniert und dass dieser ihr die Richtigkeit seiner Bewertung bestätigt habe.
Bei dieser Konstruktion handelt es sich um das Zeugnis bzw. die Glaubhaftmachung vom „Hörensagen“. Zur Begründung dafür, warum die Mitarbeiterin nicht selbst eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, gab Amazon vage an, Mitarbeiter seien in der Vergangenheit bereits bedroht worden und der Konzern wolle in Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht die Namen seiner Mitarbeiter offenlegen.
Das Landgericht Hamburg (Az. 324 O 335/22) hatte den Antrag des Online-Händlers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung noch zurückgewiesen, weil es die eidesstattliche Versicherung der Anwältin als ausreichend zur Glaubhaftmachung erachtete. Auf die von Esche eingelegte sofortige Beschwerde hob das OLG die Entscheidung auf und entschied im Sinne des Online-Händlers: Die eidesstattliche Versicherung der Anwältin von Amazon sei unzureichend. Mit ihr sei lediglich glaubhaft gemacht worden, dass die Anwältin ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin von Amazon hatte, in dem diese über ein Telefonat mit dem Rezensenten berichtete. Es könne dahinstehen, ob die eidesstattliche Versicherung bereits nicht das fragliche Telefonat zwischen der Mitarbeiterin und dem Rezensenten glaubhaft macht, denn dessen Existenz entziehe sich der eigenen Wahrnehmung der Anwältin. Jedenfalls sei die Glaubhaftmachung deswegen unzureichend, da nicht nur das Stattfinden des Telefonats der eigenen Wahrnehmung der Anwältin entzogen sei, sondern insbesondere dessen Inhalt. Die Anwältin konnte sich gerade kein eigenes Bild von dem Inhalt des Telefonats machen, sondern nur davon, ob sie die Schilderung der Mitarbeiterin als wahr beurteilt.
Eine hinreichende Glaubhaftmachung ergebe sich auch nicht, wenn zugunsten von Amazon davon ausgegangen werde, dass es sich um einen „zertifizierten Kauf“ handelt, so das OLG. Das besage lediglich, dass die Rezension vom selben Kontoinhaber stamme, der das fragliche Produkt gekauft habe. Daraus ergebe sich nur der Kauf, aber nicht das Ausprobieren des Produkts. Es sei „gerade vorstellbar, dass ein Wettbewerber der Antragstellerin das Produkt von einer dritten Person kaufen lässt, um der unter deren Namen abgegebenen Rezension eine höhere Glaubhaftigkeit zu verleihen, obwohl dieser Rezension ein Test in Wahrheit gar nicht zugrunde liegt“, so das OLG in seinem Beschluss.
„Besonders erfreulich an der Entscheidung ist, dass das OLG ausdrücklich bestätigt, dass hinter der falschen Bewertung gar kein echter Kunde, sondern ein Wettbewerber stecken könnte“, sagt Dr. Oliver Stegmann, Experte für Äußerungsrecht aus der Kanzlei Esche Schümann Commichau und Gründer des Rechtsdienstleisters Fakeaway, der sich auf das Entfernen rechtswidriger Bewertungen und von sogenanntem user generated content im Internet spezialisiert hat. „Genau wegen dieses Verdachts gehen wir für unseren Mandanten seit geraumer Zeit konsequent gegen Fake-Bewertungen bei Amazon vor, und nicht nur die Entscheidung des OLG gibt uns recht“, so Stegmann weiter.
Weitere Informationen zum Vorgehen gegen Fake-Bewertungen finden Sie auf www.fakeaway.de