• 01. Oktober 2025
  • Nachhaltigkeit

EUDR – Wird die Entwaldungsverordnung erneut verschoben?

Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (European Deforestation Regulation, EUDR) soll sicherstellen, dass nur Produkte in der EU gehandelt werden, die nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Eigentlich ein klares Signal für mehr Nachhaltigkeit in den globalen Lieferketten. Doch die Umsetzung verzögert sich immer wieder. 

Am 23. September 2025 kündigte die Europäische Kommission an, die Anwendung um ein weiteres Jahr – bis Ende 2026 – verschieben zu wollen.
 

Worum geht es bei der EUDR und wen betrifft sie?

Die EUDR konzentriert sich auf eine klar definierte Gruppe von Rohstoffe, die als maßgeblicher Treiber der globalen Entwaldung identifiziert wurden. Im Zentrum stehen Soja, Rinder, Kaffee, Kakao, Palmöl, Holz und Kautschuk. Diese Rohstoffe sind deshalb ausgewählt worden, weil ihre Produktion mit großflächiger Abholzung von Primär- und natürlichen Wäldern verbunden ist und sie in hohem Maße weltweit gehandelt werden, insbesondere in der EU als wichtigem Absatzmarkt. Entscheidend ist, dass nur Waren in die EU gelangen oder aus ihr ausgeführt werden dürfen, die nicht von Flächen stammen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet oder geschädigt wurden.

Die Verordnung erfasst dabei nicht nur diese Waren in ihrer ursprünglichen Form, sondern auch verarbeitete Produkte, die aus ihnen hergestellt werden. Holzbasierte Erzeugnisse wie Papier, Sperrholz und Möbel fallen somit ebenso unter die Regelungen der EUDR. Auch verarbeitete Produkte, die beispielsweise Palmöl, Soja, Rindfleisch, Kakao oder Kaffee enthalten, sind in den Anwendungsbereich einbezogen. Darüber hinaus gilt die EUDR auch für zusammengesetzte Produkte, die geringe Mengen der Rohstoffe enthalten, sofern diese in der Kombinierten Nomenklatur (KN) gelistet sind und die Rohstoffe noch klar identifizierbar und rückverfolgbar sind. Unternehmen müssen deshalb auch bei komplexen Produkten sicherstellen, dass die Sorgfaltspflichten eingehalten werden.

Die EUDR gilt für alle Unternehmen, die diese Produkte in den Verkehr bringen, sei es durch Import, Herstellung oder Verkauf. Das betrifft sowohl Unternehmen mit Sitz in der EU als auch ausländische Firmen, die Produkte in die EU importieren. Auch Zwischenhändler entlang der Lieferkette sind durch die Verordnung in die Verantwortung genommen. Sie müssen prüfen, ob die Produkte, die sie weiterverkaufen oder verarbeiten, den Anforderungen entsprechen. Allerdings muss der Zwischenhändler nicht die gesamte Sorgfaltspflicht nochmals von Grund auf erfüllen. Seine Hauptaufgabe ist es, sicherzustellen, dass eine gültige und umfassende Sorgfaltserklärung des Erstinverkehrbringer vorliegt. Diese Nachweise muss der Zwischenhändler auf Verlangen der Behörden vorlegen können.

Ein zentrales Element der Verordnung stellt somit die Sorgfaltserklärung dar. Unternehmen müssen vor dem Inverkehrbringen der Produkte eine verbindliche Erklärung abgeben, die bestätigt, dass die Waren nicht von Flächen stammen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet oder geschädigt wurden. Diese Erklärung beinhaltet zudem den Herkunftsnachweis, Geolokalisierungsdaten der Anbauflächen, eine detaillierte Dokumentation der durchgeführten Risikobewertung und gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikominderung. Die Erklärung wird in Deutschland bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) eingereicht.

Große Unternehmen sollten bisher ab dem 30. Dezember 2025 vollständig compliant sein, kleine und mittlere Unternehmen hätten Zeit bis zum 30. Juni 2026 gehabt und unterliegen teilweise reduzierten Pflichten. Verstöße gegen die Verordnung können erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bußgelder können je nach Schwere des Verstoßes bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes  eines Unternehmens innerhalb der EU erreichen. Zusätzlich können Verstöße mit temporären oder dauerhaften Handelsverboten geahndet werden.  
 

Wie war der ursprüngliche Zeitplan?

Geplant war ursprünglich ein Start zum 30. Dezember 2024. Doch schon 2023 zeichnete sich ab, dass viele Unternehmen und Mitgliedsstaaten Schwierigkeiten haben würden, rechtzeitig die notwendigen Strukturen aufzubauen. Dieser Termin wurde daher verschoben: auf den 30. Dezember 2025.

Mit dem Schreiben der EU-Kommission vom 23. September 2025 steht nun eine weitere Verschiebung auf Ende 2026 im Raum.


Warum droht eine erneute Verschiebung?

Der Hauptgrund liege laut dem Schreiben der EU-Kommission an das EU-Parlament in der fehlenden technischen Infrastruktur. Das zentrale IT-System, über das Unternehmen ihre Nachweise erbringen und Behörden die Daten prüfen sollen, ist noch nicht leistungsfähig genug. Es drohen Überlastungen, Verzögerungen und Störungen im Handel.
Hinzu kommt, dass viele Mitgliedsstaaten administrativ noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Eine sofortige Umsetzung würde daher voraussichtlich zu erheblichen Problemen führen.
 

Welche Diskussionen gibt es zur Ausgestaltung?

Neben der Verschiebung werden auch inhaltliche Anpassungen diskutiert. Immer wieder wird vorgeschlagen, eine „Null-Risiko-Kategorie“ einzuführen. Regionen oder Produkte, die nachweislich kein Entwaldungsrisiko bergen, könnten damit von umfangreichen Dokumentationspflichten ausgenommen werden.
Zudem machen sich Mitgliedsstaaten, Wirtschaftsverbände und Produzierende Sorgen über die Bürokratiekosten, insbesondere für kleine Betriebe. Auch aus Drittländern kommt Kritik: Viele Produzierende fühlen sich mit den Anpassungspflichten allein gelassen, da EU-Unterstützung und Investitionen bislang unzureichend seien.


Welche Folgen hätte eine weitere Verschiebung?

Eine zweite Verzögerung hätte gleich mehrere negative Effekte:

  • Verlust an Glaubwürdigkeit: Europa präsentiert sich international als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Wiederholte Verschiebungen schwächen diese Position erheblich.
     
  • Unsicherheit für Unternehmen: Zahlreiche Firmen haben bereits in Systeme zur Rückverfolgbarkeit und Compliance investiert. Ein weiterer Aufschub benachteiligt diese Vorreiter und belohnt indirekt jene, die abgewartet haben.
     
  • Gefährdung von Innovation: NGOs, Start-ups und Plattformen, die sich speziell auf EUDR-Compliance spezialisiert oder gegründet haben, sehen ihr Geschäftsmodell gefährdet.
     
  • Ökologische Kosten: Während Brüssel über Fristen diskutiert, schreitet die Entwaldung weltweit weiter voran. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen seit Jahren vor irreversiblen Kipppunkten, insbesondere im Amazonasgebiet.


Welche Stimmen gibt es zu den Plänen?

Die Meinungen sind gespalten:

  • Befürworter einer Verschiebung argumentieren, dass ein stabiles IT-System essenziell sei. Ohne verlässliche Infrastruktur drohe Chaos bei der Umsetzung und hohe Rechtsunsicherheit. Zudem sei es wichtig, Unternehmen nicht mit unrealistischen Anforderungen zu überfordern.
     
  • Kritiker einer weiteren Verzögerung halten dagegen, dass die Kommission seit 2023 genügend Zeit hatte, die technischen Grundlagen zu schaffen. Eine erneute Verschiebung sei ein politisches Signal der Schwäche und ein Schlag für all jene, die sich frühzeitig vorbereitet haben. Manche Beobachter sprechen gar davon, dass die Kommission ihr eigenes Green-Deal-Projekt opfere, um Spielraum in Handelsgesprächen zu gewinnen. Zudem steht der Verdacht im Raum, dass die IT-Probleme nur ein Vorwand sein könnten, um die Verordnung grundsätzlich aufzuweichen.


Wie geht es weiter?

Die EU-Kommission schlägt vor, den Start der EUDR auf den 30. Dezember 2026 zu verschieben. Ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, bleibt offen. Entscheidend wird sein, ob die EU die zusätzliche Zeit nutzt, um die IT-Infrastruktur funktionsfähig aufzubauen und klare, praktikable Vorgaben für Unternehmen zu schaffen.


Unser Fazit

Ob IT-Probleme, politischer Druck oder wirtschaftliche Bedenken: ein weiteres Hinauszögern der EUDR wäre ein fatales Signal. Europa riskiert, seine Glaubwürdigkeit in Umwelt- und Klimafragen zu verspielen und Unternehmen vor den Kopf zu stoßen, die längst investiert haben. Wälder lassen sich nicht „aufschieben“, sie verschwinden Tag für Tag.
Aus unserer Sicht ist es entscheidend, dass die EU an der EUDR festhält, die Umsetzung zügig vorbereitet und zeitnahe Lösungen für die technische Infrastruktur findet. Nur so kann die Verordnung ihren Zweck, den Schutz der Wälder weltweit, erfüllen.
 


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