- 08. September 2025
- Gesellschaftsrecht und M&A
Actio pro socio – Minderheit mit Macht?
Kann der GmbH-Minderheitsgesellschafter den Mehrheitsgesellschafter im eigenen Namen auf Zahlung von Schadensersatz an die Gesellschaft verklagen (actio pro socio)?
Der BGH hat mit Urteil vom 5. November 2024 (II ZR 85/23) neuerlich Grenzen der actio pro socio aufgezeigt.
Actio pro socio – Minderheit mit Macht?
Die actio pro socio bezeichnet das Recht der Gesellschafter, gegenüber Mitgesellschaftern ein der Gesellschaft zustehendes Recht in eigenem Namen, aber zugunsten der Gesellschaft geltend zu machen. Sie ist insofern ein Instrument des Minderheitenschutzes, als sie Gesellschaftern ermöglicht, Ansprüche gegen Mitgesellschafter geltend zu machen, die von den Gesellschaftsorganen aber nicht durchgesetzt werden. Hintergrund sind häufig Interessenkonflikte der Mehrheitsgesellschafter, die in der Regel kein Interesse an der Verfolgung von Ansprüchen gegen sich selbst haben.
Mit der actio pro socio wird insbesondere Minderheitsgesellschaftern ein scharfes Schwert gewährt – aber kein frei verfügbares. In seinem Urteil vom 5. November 2024 (Az. II ZR 85/23) hat der BGH die Hürden für eine solche Klage erneut betont: Die Zulässigkeit der actio pro socio bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt.
Der Fall
Der Fall: In einer zweigliedrigen GmbH hatte der Minderheitsgesellschafter im Wege der actio pro socio die Geschäftsführer, die zugleich mittelbare Gesellschafter der GmbH waren, auf Zahlung von Schadensersatz an die Gesellschaft verklagt. Der Vorwurf: treuwidriges Verhalten zu Lasten der Gesellschaft. Da die Gesellschafter-Geschäftsführer einen auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen sie selbst gerichteten Gesellschafterbeschluss nicht feststellen wollten, fühlte sich der Minderheitsgesellschafter blockiert und erhob im eigenen Namen im Wege der actio pro socio Klage gegen die Gesellschafter-Geschäftsführer auf Zahlung von Schadensersatz an die Gesellschaft.
Der BGH wies die Klage als unzulässig ab. Begründung: Der klagende Minderheitsgesellschafter sei nicht prozessführungsbefugt. Zwar kann ein Gesellschafter im eigenen Namen zugunsten einer GmbH nach den Grundsätzen der actio pro socio prozessführungsbefugt sein. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sämtliche gesellschaftsinternen Mittel zuvor ausgeschöpft wurden. Der BGH befand, dies sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Gesellschaft hätte den Ersatzanspruch ohne Weiteres selbst im Klagewege verfolgen können. In einer zweigliedrigen GmbH sei kein Raum für eine actio pro socio, wenn der Mitgesellschafter einem Stimmverbot unterliegt.
Gesellschafterklage nur als ultima ratio
Das Urteil bestätigt, was in der Praxis gerne übersehen wird: Eine actio pro socio setzt mehr voraus als bloßen Dissens. Es reicht nicht, dass ein Gesellschafter sich inhaltlich im Recht fühlt oder der Verdacht einer Pflichtverletzung besteht. Vielmehr muss ein struktureller Missstand vorliegen, der es objektiv unmöglich macht, eine Klage auf dem üblichen Weg herbeizuführen. Die Gesellschafterklage ist gegenüber dem Tätigwerden der zuständigen Gesellschaftsorgane grundsätzlich subsidiär.
Dieser Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung lässt die actio pro socio erst dann in Betracht kommen, wenn die für die GmbH bereitgestellten Rechtsinstrumente versagen. Das kann dann der Fall sein, wenn eine Klage der Gesellschaft selbst undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst über den Weg eines Gesellschafterbeschlusses zur Erhebung einer Haftungsklage zwingen.
Besonderheit in der zweigliedrigen GmbH
Die Eigenheit des besprochenen Falls jedoch war, dass die Gesellschaft nur zwei Gesellschafter hatte. Da der behauptete Anspruch der GmbH sich gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer richtet, hatte der Mehrheitsgesellschafter nach § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht. Der Grundgedanke dieser Norm ist, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. Unterliegt aber einer von zwei Gesellschaftern einem Stimmverbot, sieht es der BGH als überflüssige Formalität an, vom einzigen stimmberechtigten Gesellschafter eine förmliche Beschlussfassung zu verlangen.
Die geschädigte GmbH wäre damit auch ohne Gesellschafterbeschluss berechtigt gewesen, Ansprüche gegenüber ihrem Mehrheitsgesellschafter geltend zu machen. Insbesondere hat der BGH festgestellt, dass der verbliebene stimmberechtigte Gesellschafter einer zweigliedrigen GmbH zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess berechtigt ist, ohne dass es eines Ermächtigungsbeschlusses bedürfte. Aus diesem Grunde wäre es dem Minderheitsgesellschafter möglich gewesen, im Namen der Gesellschaft Klage zu erheben. Die Klageerhebung im eigenen Namen im Wege der actio pro socio war insofern aufgrund Nachrangigkeit nicht geboten und unzulässig.
Praxisfolgen: Eine dokumentierte Ausschöpfung interner Rechtsmittel ist ebenso zentral wie die sorgfältige Protokollierung von Blockadeversuchen.
Fazit: Scharfe Waffe, seltene Anwendung
Die actio pro socio bleibt ein wichtiges Instrument zum Schutz der Gesellschaft – aber sie kann nur im Ausnahmefall gezückt werden. Wer sich als Minderheitsgesellschafter in einer Sackgasse sieht, sollte zunächst alle internen Wege systematisch ausschöpfen. Erst wenn diese nachweislich versperrt sind, kann die actio pro socio Aussicht auf Erfolg haben. Das BGH-Urteil ist deshalb nicht nur rechtlich bedeutsam – es ist auch ein Weckruf zur vertraglichen Vorsorge, um zum Beispiel Stimmverbote ausdrücklich zu regeln.
Weiterführende Links
Urteil des BGH vom 05.11.2024 – II ZR 85/23 Urteil des II. Zivilsenats vom 5.11.2024 - II ZR 85/23 –

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