• 29. September 2025
  • Gesellschaftsrecht und M&A

Gesellschaft mit gebundenem Vermögen: Vom Konzept in die Gesetzgebung?

Die Koalition hat sich im Koalitionsvertrag vom 5. Mai 2025 zur Einführung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen bekannt. Auch die Justizministerkonferenz vom 5. und 6. Juni 2025 fordert einen Gesetzentwurf. Könnte nun Bewegung in das lange diskutierte Projekt kommen?


Die Rechtsform einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV) ist eine geplante neue Rechtsform, deren zentrales Merkmal die dauerhafte Vermögensbindung ist. Wesentliche Eckpunkte sind:

  • Asset Lock: Unternehmensvermögen und Gewinne bleiben überwiegend im Unternehmen, Ausschüttungen an Gesellschafter sind stark beschränkt.
     
  • Mitgliedschaftslogik: Gesellschafter haben Mitspracherechte und Leitungsmacht, können das Vermögen oder ihre Anteile aber nicht frei entnehmen oder veräußern.
     
  • Unternehmenszweck im Vordergrund: Ziel ist die langfristige Sicherung des Unternehmenszwecks, nicht die private Vermögensmehrung.

Kurz gesagt: Die GmgV soll eine Rechtsform für Unternehmen sein, die dauerhaft zweck- statt gewinnorientiert arbeiten wollen.


Ein Rechtsform-Projekt mit langer Vorgeschichte

Die Idee der GmgV ist nicht neu. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde über eine Gesellschaft nach dem Prinzip des „Verantwortungseigentum“ diskutiert. Kernidee: Gewinne und Vermögen bleiben dauerhaft im Unternehmen und sind an den Unternehmenszweck gebunden, Ausschüttungen an Gesellschafter sind stark begrenzt. Ziel ist es, nachhaltiges Unternehmertum zu fördern, Nachfolgen zu erleichtern und das Unternehmen vor spekulativer Verwertung zu schützen.

Bisher blieb das Projekt jedoch im Konzeptionsstadium: Ein akademischer Entwurf liegt seit 2024 vor, ist aber vom Gesetzgeber noch nicht aufgegriffen worden. In dem Koalitionsvertrag 2025 erklärt die Bundesregierung nun ausdrücklich: „Wir …wollen eine neue, eigenständige Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ einführen. Merkmale dieser Rechtsform sind die unabänderliche Vermögensbindung und die Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik ohne steuerliche Privilegierungen oder Diskriminierungen.“

Die Justizministerkonferenz vom 5. und 6. Juni 2025 hat die Bundesministerin der Justiz zudem aufgefordert, auf Basis des akademischen Entwurfs einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das ist das bislang deutlichste Signal, dass das Projekt nun möglicherweise in den politischen Prozess überführt werden könnte.
 

Chancen und offene Fragen

Für viele Unternehmer könnte eine GmgV die Antwort auf zentrale Fragen der Unternehmensnachfolge sein: Wie bleibt die Firma in Familienhand oder im Sinne der Gründer, wenn kein Nachwuchs übernimmt? Wie lässt sich der Unternehmenszweck vor kurzfristigen Exit-Strategien schützen?

Gleichzeitig bestehen jedoch Bedenken und offene Fragen:

  • Governance: Eine gute Governance resultiert oftmals aus sinnvoller Überwachung. Die Überwachung der Unternehmensführung durch den Verantwortungseigentümer erfolgt in der GmgV allerdings allein aufgrund intrinsischer Motivation, denn egal ob der Verantwortungseigner seinen Aufsichtspflichten gut oder schlecht nachkommt, er bekommt nie mehr als den Nennbetrag der Einlage zurück. Das kann auf Dauer zu einer rationalen Apathie führen.
     
  • „Ewigkeitsgarantie“: Unabänderliche Vermögensbindung erfordert starke Schutzmechanismen, die administrativen Aufwand und Kosten verursachen. Denn während die Gründer der GmgV frei und mit dauerhafter Wirkung über ihr Vermögen verfügen können, nehmen sie nachfolgenden Generationen genau diese Freiheit. Dadurch könnten massive Anreize zur Umgehung der Vermögensbindung etwa durch versteckte Ausschüttungen entstehen.
     
  • Finanzierung: Welche Investoren sind bereit, in eine Gesellschaft einzusteigen, aus der sie keine Gewinne entnehmen können? Insbesondere in einer Krise dürfte das die Sanierungschancen stark limitieren.
     
  • Steuern: Der Entwurf verzichtet bewusst auf Privilegien, so dass sich die Frage stellt, ob die GmgV im Wettbewerb mit klassischen GmbHs attraktiv ist.

Kritiker wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium (Stellungnahme vom 28. September 2022) warnen zudem vor einer zu starren Struktur, die unternehmerische Flexibilität einschränken könnte.
 

Praxistipp

Unternehmen, die sich für die GmgV interessieren, sollten die Gesetzesentwicklung jetzt genau beobachten. Sinnvoll ist es, schon heute interne Szenarien durchzuspielen:

  • Wie wirkt sich eine Vermögensbindung auf Finanzierung und Liquidität aus?
     
  • Welche Gesellschafter wären bereit, Gewinne dauerhaft im Unternehmen zu belassen?
     
  • Welche Governance-Strukturen (Beiräte, Prüfungen) müssten eingerichtet werden?

Auch wenn die konkrete Ausgestaltung noch offen ist, lohnt es sich, frühzeitig strategische Überlegungen anzustellen – um schnell reagieren zu können, wenn die neue Rechtsform tatsächlich kommt.


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