- 14. Juli 2022
- Gesellschaftsrecht und M&A
Aktuelle Gesetzgebungsverfahren im Gesellschaftsrecht – Ein Überblick über die erste Jahreshälfte 2022
In den letzten Sitzungswochen vor der parlamentarischen Sommerpause haben Bundestag und Bundesrat zahlreiche gesellschaftsrechtliche Vorhaben umgesetzt und vorangebracht. Neben dem viel diskutierten Gesetzentwurf zur dauerhaften Einführung virtueller Hauptversammlungen bei der AG wurden ergänzende Regeln zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie beschlossen und weitere Vorhaben auf den Weg gebracht. Hier das Wichtigste in Kürze:
Die virtuelle Hauptversammlung der AG kommt
Selten gingen in der jüngeren Vergangenheit die Meinungen über ein gesellschaftsrechtliches Reformgesetz so weit auseinander wie in der Debatte um die Zukunft der virtuellen Hauptversammlung. Während Anlegervereinigungen den Gesetzesentwurf aufgrund der erweiterten Teilhabemöglichkeiten und der Stärkung von Aktionärsrechten und Rechtssicherheit überwiegend positiv bewerteten, sahen börsennotierte Gesellschaften, Wirtschaftsverbände und Berater überwiegend Probleme auf die Unternehmen zukommen. Dennoch hat das Gesetz zur dauerhaften Einführung virtueller Hauptversammlungen mit kleineren Abweichungen in der Sitzung des Bundesrats am 8. Juli 2022 die letzte wichtige Etappe des Gesetzgebungsverfahrens bewältigt.
Im Kern bleibt es dabei: Das gegenwärtige virtuelle Format steht den Unternehmen nur noch für die Hauptversammlungen zur Verfügung, die bis zum 31. August 2023 einberufen werden. Danach ist eine virtuelle Hauptversammlung nur noch bei den Gesellschaften möglich, die hierzu in ihrer Satzung entsprechende Ermächtigungen für den Vorstand vorgesehen haben. Diese können längstens jeweils für fünf Jahre erteilt werden.
Abweichend vom Regierungsentwurf ist nun aber keine Satzungsbeschränkung mehr zulässig, wonach über ausgewählte Tagesordnungspunkte einzig in einer physischen Versammlung Beschluss gefasst werden kann. Nachdem allseits erwartet wurde, dass die Gesellschaften von der Möglichkeit zur Selbstbeschränkung schon aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten keinen Gebrauch machen werden, ist der Gesetzgeber an dieser Stelle zu seinem ursprünglichen Ansatz aus dem Referentenentwurf zurückgekehrt.
Abschließend bleibt mit Blick auf zukünftige Hauptversammlungen damit die Sorge bestehen, dass das doppelte Frage- Rede- und Antragsrecht der Aktionäre am Ende von den Vorständen nicht nur als punktueller Makel, sondern eher als strukturelles und konzeptionelles Risiko einer virtuellen Hauptversammlung bewertet wird. Das virtuelle Hauptversammlungsformat hat damit zumindest das Potential, am Ende in einer Reihe mit den Vorschriften zur hybriden Hauptversammlung und dem Aktionärsforum zu stehen.
Im Schatten der virtuellen Hauptversammlung: Die virtuelle Gesellschafterversammlung und Online-Beschlussfassung bei der GmbH
Ebenfalls in der Sitzung von 8. Juli 2022 hat der Gesetzentwurf des DIREG den Bundesrat passiert. Darin enthalten ist die Änderung des GmbHG, wonach Versammlungen der Gesellschafter künftig auch ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden können, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit einverstanden erklären. Damit kann auch ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag eine telefonische oder audiovisuelle Beschlussfassung in der GmbH erfolgen. Einzige Voraussetzung ist hierbei, dass alle Gesellschafter diesem Verfahren vorab in Textform (etwa per E‑Mail oder Chatnachricht) zustimmen. Die Notwendigkeit der schriftlichen Beschlussfassung im Anschluss an eine virtuelle Versammlung, die sich während Corona überwiegend etabliert hatte, entfällt damit in der GmbH zukünftig.
Zudem ist im DIREG vorgesehen, dass das notarielle Verfahren der Online-Beurkundung zukünftig auch auf die Gründung einer GmbH, Gründungsvollmachten und einstimmig gefasste satzungsändernde Beschlüsse anzuwenden ist. Auch wurde im Hinblick auf eine verbesserte Digitalisierung die Möglichkeit zur Online-Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen verbessert. Bestehende Beschränkungen auf bestimmte Rechtsträger entfallen zukünftig. Die Änderungen treten gestaffelt bis zum August 2023 in Kraft.
Regierungsentwurf des UmRUG und UmRMitbestG beschossen
Bereits am 6. Juli hat das Kabinett mit wenigen Änderungen das Gesetzespaket zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (bestehend aus dem UmRUG und UmRMitbestG) beschlossen. Hierdurch werden im Umwandlungsrecht erstmals Regelungen zu grenzüberschreitenden Spaltungen und dem grenzüberschreitenden Formwechsel in das Umwandlungsgesetz eingefügt und die bestehenden Regeln zu grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen und dem Spruchverfahren überarbeitet.
Derzeit ist ein Inkrafttreten der neuen Vorschriften ab dem 31. Januar 2023 angepeilt. Umwandlungsmaßnahmen, deren Verträge vor diesem Zeitpunkt geschlossen oder deren Verschmelzung- oder Spaltungsplan vor diesem Zeitpunkt aufgestellt wurden und die bis zum 31. Dezember 2023 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, können noch nach den bisherigen Regeln durchgeführt werden können.
Referentenentwurf der GbR-Gesellschaftsregisterverordnung (GesRV) veröffentlicht
Schon Ende Juni hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Referentenentwurf zur „Verordnung über die Einrichtung und Führung des Gesellschaftsregisters (Gesellschaftsregisterverordnung – GesRV)“ veröffentlicht. Dieser dient hauptsächlich der Einführung des Gesellschaftsregisters für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und damit der durch das MoPeG gebotenen verfahrensrechtlichen Umsetzung.
Gemäß § 707 Abs. 1 BGB n.F. steht es den Gesellschaftern einer GbR grundsätzlich frei, ob sie die Gesellschaft zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anmelden und als Namenszusatz die Bezeichnung „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ führen. Soweit die GbR allerdings als Inhaberin eines Rechts in ein anderes Register eingetragen werden soll (hierzu zählt auch das Grundbuch), bedarf es zwingend auch einer Eintragung in das Gesellschaftsregister. Ob und inwieweit der Rechts- und Geschäftsverkehr zukünftig aber eine fehlende Eintragung der GbR akzeptieren wird, ist derzeit offen. Da der Gesetzgeber der Eintragung im Gesellschaftsregister auch den Zweck der Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beimisst, können Gesellschafter eigentlich kaum erwarten, dass Banken zukünftig bei Finanzgeschäften auf eine Eintragung im Gesellschaftsregister verzichten werden. Da es zudem im Falle einer nicht erfolgten Eintragung der GbR bei dem Grundsatz der Gesamtvertretung verbleibt, ist zu erwarten, dass auch weitere Vertragspartner wegen der Gefahr einer nicht korrekten Vertretung – und damit der Gefahr einer ausbleibenden Verpflichtung der GbR – zukünftig ebenso auf eine Eintragung bestehen werden.
Begrüßenswert ist, dass sich das GbR-Gesellschaftsregister konzeptionell weitgehend an die Handelsregisterverordnung anlehnt. Hierzu wird die GbR nach § 1 Abs. 2 des Referentenentwurfs der oHG registerrechtlich weitgehend gleichgestellt, wobei an die Stelle der Firma der oHG der Name der GbR tritt. Der eintragungsfähige Inhalt richtet sich nach den neu gefassten §§ 707 Abs. 2, 707a Abs. 1 S. 1 BGB n.F i.V.m. § 4 GesRV. Danach sind insbesondere der Name und der Sitz der GbR sowie ihre Gesellschafter mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort einzutragen, soweit es sich um natürliche Personen handelt. Ebenfalls eintragungspflichtig ist die allgemeine Regelung zur Vertretung der Gesellschaft (Spalte 3, Buchstabe a). Registrierungspflichtig ist demnach auch der Fall, in dem der Gesellschaftsvertrag keine von § 720 Abs. 1 BGB n.F. abweichende Regelung enthält und es bei einer Gesamtvertretung verbleibt.