• 24. November 2025
  • International
  • Prozessführung und Schiedsverfahren

Neue Gestaltungsspielräume für Unternehmer im Recht der (Software- und Dienstleistungs-)Handelsvertreter

Bislang mussten Unternehmer fürchten, von den von ihnen beauftragten Handelsvertretern auch dann in Deutschland wegen Handelsvertreterausgleichsansprüchen haftbar gemacht werden zu können, hatten sie Gerichte im EU-Ausland sowie das Recht eines Staates im EU-Ausland (z. B. USA wie im Fall das Kammergerichts) gewählt. Jedenfalls solche Handelsvertreter, die keine Waren, sondern lediglich Dienstleistungen vertreiben, können sich nach dem Urteil des Kammergerichts nicht mehr ohne Weiteres auf dieses aus ihrer Sicht angenehme Haftungsregime berufen. Das Kammergericht entschied, dass die Gerichtsstandsvereinbarung bei Dienstleistungsvertretern anwendbar bleibt. Dies eröffnet neue Gestaltungsspielräume für Auftraggeber (z. B. Softwareentwickler), die sich zum Vertrieb von Dienstleistungen Handelsvertretern bedienen wollen.

1. Bisherige Ausgangslage: Unwirksamkeit drittstaatlicher Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen

Der Beschluss des Kammergerichts vom 01.07.2025 (Az. 2 U 37/22) befasst sich mit der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit solcher drittstaatlichen Rechtswahl- und  Gerichtsstandsvereinbarungen, die zu einer faktischen Abbedingung des Handelsvertreterausgleichsanspruches (§ 89b HGB) führen. Unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 05.09.2012 - VII ZR 25/12 erörterte das Kammergericht die Frage, ob eine solche Gerichtsstandsvereinbarung auch dann unwirksam sein soll, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt zwar den (nationalen) §§ 84 ff. HGB, nicht aber dem Anwendungsbereich der europäischen Handelsvertreterrichtlinie 83/653/EWG unterfällt.

2. Entscheidung des Kammergerichts

Dem Beschluss lag ein zwischen den Parteien geschlossenes Reseller Agreement zugrunde, das die Vermittlung von cloudbasierten Softwaredienstleistungen („Software as a Service (SaaS)“) durch die Klägerin (Handelsvertreter) in Deutschland zum Gegenstand hatte. Die Parteien hatten eine exklusive Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten der Gerichte in San Francisco vereinbart. Gewählt hatten sie das Recht des Bundesstaates Delaware, welches keinen dem § 89b HGB vergleichbaren Ausgleichsanspruch vorsieht. Das Kammergericht prüfte daher, ob die Gerichtsstands- sowie die korrespondierende Rechtswahlklausel von Eingriffsnormen des Forums – hier in Gestalt der §§ 84 ff. HGB – gemäß (hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel analog) Art. 9 Rom I-VO überschrieben wird und somit keine Wirkung entfaltet.

Das Kammergericht ging indes von der Wirksamkeit der Gerichtsstands- bzw. Rechtswahlklausel aus. Gegen die streitgegenständlichen Klauseln bestünden keine Bedenken, da diese nur Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Handelsvertreterrichtlinie beträfen.

Nur soweit die §§ 84 ff. HGB die Handelsvertreterrichtlinie umsetzen, habe das Regime um den Handelsvertreterausgleichsanspruch kollisionsrechtlich zwingenden Charakter. Dies sei bei den in diesem Verfahren in Rede stehenden Softwaredienstleistungen nicht der Fall, da die Handelsvertreterrichtlinie nur Warenvertreter-, indes keine Dienstleistungsvertreter erfasse. Nur soweit die §§ 84 ff. HGB die Handelsvertreterrichtlinie umsetzen, handle es sich um eine Eingriffsnorm.

Darüber hinaus sei auch nicht erkennbar, dass der deutsche Gesetzgeber den überschießend umgesetzten Teil der Handelsvertreterrichtlinie als „so entscheidend für die Wahrung seiner öffentlichen Interessen erachtet“ (Legaldefinition Eingriffsnorm, Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO), dass dieser sich gegen eine gemäß Art. 3 Rom I-VO getroffene Rechtswahl durchsetzen müsse.

Zwar stünde es einem Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Unamar“ (EuGH, Urt. v. 17.10.2013 - C-184/12) frei, überschießenden Richtlinienumsetzungen international zwingenden Charakter i.S.d. Art. 9 Rom I-VO beizumessen. Dies setze allerdings voraus, dass der nationale Gesetzgeber auch den überschießenden Teil der Umsetzung für international zwingend erachtet. Dies vermochte das Kammergericht den §§ 84 ff. HGB für außerhalb des Anwendungsbereiches der  Handelsvertreterrichtlinie liegende Fallkonstellationen nicht zu entnehmen. 

3. Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss des Kammergerichts eröffnet in der Praxis neue Möglichkeiten für Unternehmer, den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters durch eine drittstaatliche Rechts- und Gerichtsstandswahl abzubedingen. Dies betrifft zum einen die dem Beschluss des Kammergerichts zugrunde liegenden Sachverhalte, die zwar im Anwendungsbereich der §§ 84 ff. HGB, nicht aber im Anwendungsbereich der Handelsvertreterrichtlinie liegen. Zum anderen bestätigt das Kammergericht auch die bereits vereinzelt in der Rechtsprechung anzutreffende Auffassung, dass eine drittstaatliche Gerichtsstands- und Rechtswahl auch im analogen Anwendungsbereich (z. B. Vertragshändler) der §§ 84 ff. HGB zulässig sein dürfte.

Siehe ausführlicher zur Thematik: jurisPraxisReport Internationales Wirtschaftsrecht vom 21.11.2025 (2025/06), Anmerkung 4 (Meder)