• 17. April 2025
  • Vergaberecht

Anwendung des § 134 GWB bei einem Mehr-Partner-Modell

Der Wortlaut des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB scheint eindeutig zu sein: Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über deren Nichtberücksichtigung zu informieren. Aber was ist mit einem zweitplatzierten Bieter, der aufgrund der Ausschreibung ebenfalls einen – wenn auch nachrangigen – Zuschlag erhält? Besteht ein Anspruch des nachrangig bezuschlagten Bieters auf Erhalt eines Informationsschreibens?

Der Erstplatzierte erhält den „besseren“ Zuschlag und damit die Möglichkeit einer größeren Leistungserbringung, während der Zweitplatzierte zwar auch einen Vertrag erhält, aber zu etwas „schlechteren“ Bedingungen – ein häufiger Fall in der Vergabepraxis. Muss auch der Zweitplatzierte als „Bieter, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden soll“ gemäß § 134 Abs. 1 S. 1 GWB behandelt werden? Diese Frage ließ die Vergabekammer des Bundes in ihrem Beschluss vom 14. Juli 2015 – VK 2 – 57/15 (damals noch in Bezug auf § 101a .F. GWB) offen. Angesichts der anhaltenden Aktualität der Fragestellung wird diese in diesem Beitrag näher beleuchtet.

Enge Auslegung

Der Wortlaut von § 134 Abs. 1 S. 1 GWB spricht von Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen und könnte dahingehend verstanden werden, dass nur die Bieter zu informieren sind, die wirklich überhaupt nicht berücksichtigt werden sollen. Bei einer solch engen Auslegung bietet § 134 Abs. 1 S. 1 GWB keinen Raum für soeben beschriebenen Fall einer teilweisen Nichtberücksichtigung. Der zweitplatzierte Bieter fällt dann schlicht nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung und erhält keine Möglichkeit etwaige Einwände bspw. gegen die Eignung oder das Angebot des Erstplatzierten vorzubringen.

Weite Auslegung

Das dürfte jedoch nicht dem Sinn und Zweck des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB entsprechen. Die Regelung über die Informationspflicht des öffentlichen Auftraggebers dient dem Schutz des unterlegenen Bieters, der über den Ausgang des Vergabeverfahrens informiert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass er über den Grund seiner Nichtberücksichtigung in Kenntnis gesetzt wird und ihm mitgeteilt wird, wer den Zuschlag erhalten hat. Diese Informationen sind für die Transparenz des Vergabeverfahrens erforderlich, vor allem aber stellen sie sicher, dass dem unterlegenen Bieter die Möglichkeit eröffnet wird, das Wertungsergebnis des öffentlichen Auftraggebers zu rügen und ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer anzustrengen. Zur Sicherung effektiven Primärrechtsschutzes erscheint daher eine weite, bieterfreundliche Auslegung der Norm geboten. Durch eine weite Auslegung kann dann auch derjenige als „Bieter, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden soll“ angesehen werden, der zwar einen Zuschlag erhalten soll, aber nicht das bestmögliche Angebot abgegeben hat. Dadurch haben auch Bieter, deren Angebot nur eine teilweise Berücksichtigung finden, die Möglichkeit gegen diese Entscheidung vorzugehen, wenn sie meinen, dass ihr Angebot das bestplatzierte Angebot sein müsste. Ein Zuschlag für den Zweitplatzierten bedeutet dann nicht gleichzeitig die Einbuße seines Rechtsschutzes. Die weite Auslegung überzeugt durch die Schließung der durch die enge Auslegung geschaffenen Rechtsschutzlücke und durch die Schaffung von mehr Transparenz im Vergabeverfahren.

Fazit und Praxishinweis

Der Wortlaut des Gesetzes würde dem Zweitplatzierten kein Informationsrecht gewähren, da er formal einen Zuschlag erhält. Dieser Beitrag plädiert jedoch für eine weite, bieterfreundliche Auslegung der Norm. Danach soll auch der Zweitplatzierte als "Bieter, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden soll" gelten, wenn er nicht den bestmöglichen Zuschlag erhält. Diese Sichtweise stärkt den effektiven Rechtsschutz und die Transparenz im Vergabeverfahren, indem auch teilweise benachteiligte Bieter die Möglichkeit erhalten, etwaige Rechtsverstöße anzugreifen – insbesondere, wenn sie die Eignung oder das Angebot des Erstplatzierten anzweifeln. Für den öffentlichen Auftraggeber bedeutet dies, dass er sicherheitshalber auch nachrangig bezuschlagte Bieter gemäß § 134 Abs. 1 S. 1 GWB informieren sollte. Nur so kann rechtssicher verhindert werden, dass eine etwaige Vergaberüge wegen Verletzung der Informationspflicht Erfolg hat.