- 20. November 2025
- Vermögensnachfolge
„Behindertentestament“: Eine Absicherung für betroffene Kinder?
Die Gestaltung von Testamenten zugunsten von Personen mit Behinderungen ist komplex, kann aber von wesentlicher Bedeutung sein, um Betroffene im Erbfall nicht nur finanziell abzusichern, sondern auch rechtlich bestmöglich zu schützen – insbesondere im Hinblick auf mögliche Rückgriffe durch den Sozialhilfeträger. Zwei häufig genutzte Gestaltungsmöglichkeiten in Testamenten sind die klassische Erbschaftslösung mit Vor- und Nacherbfolge sowie die Vorvermächtnislösung.
Was ist ein sog. „Behindertentestament“?
Ein „Behindertentestament“ ist eine besondere Form der Testamentsgestaltung, die darauf abzielt, eine Person mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung im Erbfall finanziell abzusichern. In der Regel wird ein solches Testament von Eltern oder anderen nahen Angehörigen errichtet, um zu gewährleisten, dass die geerbten Vermögenswerte nicht dazu führen, dass der Betroffene seine Ansprüche auf staatliche Sozialleistungen verliert. Durch ein entsprechend gestaltetes „Behindertentestament“ kann das vererbte Vermögen geschützt und zugleich die langfristige Versorgung des Betroffenen sichergestellt werden.
Regelungskonzepte
In der Praxis haben sich insbesondere die sog. Erbschaftslösung mit Vor- und Nacherbschaft und die sog. Vorvermächtnislösung als Gestaltungsformen des „Behindertentestaments“ etabliert. Beide Ansätze verfolgen das Ziel, die betroffene Person testamentarisch abzusichern, ohne dass der Sozialhilfeträger Zugriff auf die von Todes wegen übertragenen Vermögenswerte erhält. Die Rechtsprechung sieht diese testamentarischen Gestaltungsoptionen bislang weder als sittenwidrig noch als Verstoß gegen sozialrechtliche Bestimmungen an, sodass sie ein rechtlich zulässiges Instrument zur Absicherung sein können.
Erbschaftslösung: Vor- und Nacherbfolge mit Dauertestamentsvollstreckung
Bei der Erbschaftslösung wird die betroffene Person zwar als Erbe eingesetzt, jedoch nicht als Vollerbe, sondern als Vorerbe. Zugleich wird festgelegt, dass nach ihrem Tod ein Nacherbe – häufig ein Geschwisterteil oder ein anderer naher Angehöriger – den zugewendeten Erbteil erhält. Die Erbquote des Vorerben sollte in der Regel leicht über dem gesetzlichen Pflichtteilsanspruch liegen – vorausgesetzt, ein solcher Anspruch besteht –, um zu verhindern, dass die Erbschaft ausgeschlagen und der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird. Andernfalls wäre es möglich, dass der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch auf sich überleiten lassen könnte. Würde der Pflichtteil beansprucht, müssten die Mittel höchstwahrscheinlich vollständig für den Lebensunterhalt des Betroffenen verwendet werden, wodurch eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation in vielen Fällen kaum noch möglich wäre.
Als Vorerbe ist der Betroffene daher nur berechtigt, die Erträge aus dem Nachlass zu nutzen, er darf das geerbte Vermögen jedoch nicht veräußern, verschenken oder verbrauchen. Nach seinem Ableben geht der Erbteil auf den Nacherben über, der sodann frei über den Nachlass verfügen kann.
Zur Verwaltung des Erbteils des Betroffenen wird in der Regel ein Testamentsvollstrecker für die gesamte Dauer der Vorerbschaft eingesetzt („Dauertestamentsvollstreckung“). Er verwaltet den Erbteil, zahlt Erträge aus und kann damit beispielsweise zusätzliche Annehmlichkeiten für den Betroffenen finanzieren – etwa Reisen, Freizeitaktivitäten oder Assistenzleistungen.
Die Erbschaftslösung hat dabei den Vorteil, dass das geerbte Vermögen nicht als verfügbares Einkommen des betroffenen Erben gilt. Der Sozialhilfeträger kann daher nicht auf den Nachlass zugreifen, da die Vermögenssubstanz für den Betroffenen rechtlich nicht verwertbar ist. Die ausgezahlten Erträge bleiben zudem in einem Rahmen, der den Anspruch auf Sozialleistungen nicht gefährdet, gleichzeitig aber die Lebensqualität des Betroffenen verbessert.
Einer der möglichen Nachteile der Erbschaftslösung ist jedoch, dass der Betroffene – sofern neben ihm weitere Erben eingesetzt sind – Teil einer Erbengemeinschaft wird. Insbesondere bei Nachlassvermögen in Form von Grundbesitz kann dies zu praktischen Schwierigkeiten führen, etwa bei der Veräußerung von Immobilien.
Vorvermächtnislösung mit Dauertestamentsvollstreckung
Als Alternative zur Erbschaftslösung besteht die Möglichkeit, dass die betroffene Person als Vorvermächtnisnehmer eingesetzt wird. In diesem Fall erhält der Betroffene einen genau bestimmten Vermögensgegenstand – etwa einen Geldbetrag oder bestimmte Wertgegenstände –, wobei auch hier der zugewendete Wert über der gesetzlichen Pflichtteilsquote liegen sollte.
Der Betroffene wird somit nicht Erbe, sondern erhält lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes. Ähnlich wie bei der Vorerbschaft kann der Betroffene auch im Rahmen eines Vorvermächtnisses nur die Erträge aus dem Vermächtnisgegenstand nutzen, nicht jedoch den Vermögenswert selbst verbrauchen, veräußern oder verschenken. Mit Eintritt des Nachvermächtnisfalls – in der Regel mit dem Ableben des Betroffenen – geht der Vermögensgegenstand auf den Nachvermächtnisnehmer über, der dann grundsätzlich frei verfügen kann.
Zur Verwaltung des Vermächtnisses wird dabei auch in dieser Gestaltungsvariante eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, die mit dem Eintritt des Nachvermächtnisses endet. Der Testamentsvollstrecker sorgt dafür, dass das Vermögen ordnungsgemäß für den Betroffenen verwaltet wird und diesem Erträge in einer Weise zufließen, die seine Lebensqualität verbessert, ohne seinen Anspruch auf Sozialleistungen zu gefährden.
Die Vermächtnislösung ähnelt damit im Ergebnis stark der Erbschaftslösung, unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Punkt: Der Betroffene wird nicht Erbe und kann somit auch kein Teil einer Erbengemeinschaft werden. Dadurch können mögliche Konflikte und praktische Schwierigkeiten bei der Nachlassabwicklung und Verwaltung in Fällen von Erbengemeinschaften entfallen.
Eine gewisse Herausforderung besteht allerdings darin, dass sich die konkrete Höhe des Vermächtnisses zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung häufig nicht genau beziffern lässt, da sie von der Höhe des Nachlasses im Todeszeitpunkt des Erblassers abhängt. In der Praxis wird dieses Problem häufig durch die Anordnung eines Quotenvermächtnisses gelöst, bei dem der Betroffene einen bestimmten prozentualen Anteil des Nachlasses erhält. Im Erbfall kann dies allerdings Auskunftsansprüche des Vermächtnisnehmers gegen die Erben auslösen. Um hier unnötige Streitigkeiten zu vermeiden, sollte auch dieser Aspekt im Testament sorgfältig geregelt und insbesondere durch entsprechende Anordnungen an den Testamentsvollstrecker klar ausgestaltet werden.
Fazit: Welche Gestaltung ist die richtige?
Welche testamentarische Regelung im Einzelfall die sinnvollste ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab – insbesondere von der Vermögensstruktur, dem individuellen Unterstützungsbedarf des Betroffenen sowie den familiären Verhältnissen. Ein sorgfältig ausgestaltetes „Behindertentestament“ kann jedoch sicherstellen, dass die betroffene Person das zugewendete Vermögen dauerhaft zum eigenen Wohl nutzen kann, ohne ihren Anspruch auf Sozialleistungen zu gefährden. Da die rechtlichen und sozialrechtlichen Anforderungen hierbei jedoch komplex sind, ist eine qualifizierte Beratung unerlässlich, um eine rechtssichere Nachlassplanung zu gewährleisten.