• 15. September 2025
  • Gewerblicher Rechtsschutz

Das Bild der Geschäftsführerin als Bestseller

Ein Portrait der Geschäftsführerin, das auf mehreren Nahrungsergänzungsmitteln zu Werbezwecken genutzt wird, stellt nicht nur einen „nachrangigen Beitrag“ im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) dar. Der Fotograf kann in diesem Fall grds. Auskunft über den Umfang der Werknutzung verlangen, um ggf. einen Nachvergütungsanspruch aus § 32a UrhG geltend zu machen (BGH v. 18.06.2025, GRUR 2025, 1088 – „Portraitfoto“).


Worum geht es?

Das Urheberrechtsgesetz möchte sicherstellen, dass der Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten eine angemessene Vergütung erhält: Nach § 32 Abs. 1 UrhG muss die Vergütung bei Abschluss des Vertrages angemessen gewesen sein, anderenfalls besteht ein gesetzlicher Nachvergütungsanspruch. War die Vergütung zwar aus der damaligen Sicht angemessen, stellt sich aber später heraus, dass diese angesichts der umfangreichen Werknutzung unangemessen ist, gewährt § 32a Abs. 1 UrhG einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung. Damit der Urheber über den Umfang der Werknutzung informiert ist, hat sein Vertragspartner ihm nach § 32d Abs. 1 UrhG jährlich Auskunft zu erteilen. Das gilt jedoch grds. nicht, wenn der Urheber nur einen nachrangigen Beitrag erbracht hat. Nachrangig ist ein Beitrag insbesondere, wenn er den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes wenig prägt (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG).

Bei Werken der Literatur oder der bildenden Künste lässt sich zumeist unschwer bestimmen, ob der Beitrag des Urhebers für das Werk oder das Produkt von prägender Bedeutung ist. Der Autor eines Buches hat den prägenden Beitrag für das Werk erbracht; ebenso der Maler eines Bildes. Aber wie verhält es sich bei Werken der „Gebrauchskunst“, wie z.B. einer Fotografie, die nur eines von verschiedenen werblichen Elementen auf einer Verkaufsverpackung ist? Hier lässt sich am Verkaufserfolg nicht ablesen, ob das Werk (Foto) den Gesamteindruck des Produktes prägt. Denn das Produkt kann auch deshalb gekauft werden, weil dessen Qualität und Preiswürdigkeit überzeugen oder weil andere Gestaltungselemente den Käufer ansprechen. Im vorliegenden Fall ging es um ein Porträtfoto der Geschäftsführerin der Beklagten, welches auf mehreren Nahrungsergänzungsmitteln abgebildet war. Die Geschäftsführerin warb auch persönlich im Internet und auf Teleshoppingsender für diese Produkte. Der Fotograf, der einen Pauschalbetrag in Höhe von EUR 180,- erhalten hatte, klagte auf Auskunft.


Die Entscheidung

Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht München, hatte der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe das streitgegenständliche Porträt für 25 Produktkategorien ihres Onlineshops genutzt. Daraus ergäben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die in Rechnung gestellte Vergütung von EUR 180,- in einem auffälligen Missverhältnis zu den von der Beklagten erzielten Erträgen und Vorteilen stehe. Selbst wenn man nur einen für die Online-Nutzung von Produktfotos üblichen Betrag von EUR 80,- pro Lichtbild ansetze, würde der Vorteil um mehr als das 10-fache über der tatsächlich gezahlten Vergütung liegen. Ein auffälliges Missverhältnis werde von der Rechtsprechung bereits angenommen, wenn die vereinbarte Vergütung weniger als die Hälfte der angemessenen Vergütung betragen habe (OLG München, GRUR 2024, 1633).

Diese Einschätzung teilt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18. Juni 2025 (GRUR 2025, 1088). Zur Beurteilung dessen, ob nach Nachrangigkeit vorliege, dürften auch ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Dafür sei im vorliegenden Fall auf die werbliche Bedeutung abzustellen, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes erheblich sein. Danach habe es sich bei dem Porträtfoto um ein wichtiges Marketinginstrument gehandelt, weil es den angesprochenen Verbrauchern suggerieren solle, dass die Geschäftsführerin der Beklagten mit ihrem Gesicht, ihrem Namen und ihre Expertise für die Qualität und Wirksamkeit der Produkte einstehe. Der Bundesgerichtshof hat die Sache lediglich deshalb an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen, weil aus seiner Sicht einer Verwirkung der Ansprüche nahelag, da der Fotograf seine Ansprüche über Jahre hinweg nicht geltend gemacht hatte. Dies wird das Oberlandesgericht noch abschließend prüfen müssen.


Praxistipp

Entgegen der landläufigen Meinung kann der „Bestsellerparagraph“ (§ 32a UrhG) nicht nur bei Werken der Literatur und bildenden Künste eingreifen, sondern auch dann, wenn es um werbliche Elemente einer Verkaufsverpackung geht. Da die Vorschriften der §§ 32a und 32b UrhG nicht im Voraus abbedungen werden können, kann man das Thema nicht mittels Vertragsgestaltung „in den Griff bekommen“. Alles, was man tun kann, ist, eine Rückstellung zu bilden und abzuwarten, ob Vergütungsansprüche ggf. verjähren oder verwirken. Verjährung tritt in der Regel drei Jahre nach Kenntnis und Verwirkung in etwa nach fünf Jahren ein, sofern das werknutzende Unternehmen nach dem Verhalten des Urhebers sich darauf einrichten durfte, dass er solche Rechte nicht mehr geltend machen würde.

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