• 13. April 2023
  • Arbeitsrecht

Equal Pay – Neue Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene

In der EU verdienen Frauen für dieselbe Arbeit im Durchschnitt noch immer 13 Prozent weniger als Männer. In Deutschland betrug der Gender Pay Gap im Kalenderjahr 2022 sogar 18 Prozent. Um die geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung in der Europäischen Union zu beseitigen, hat die EU-Kommission am 04.03.2021 den Entwurf einer EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz vorgelegt. Dieser Vorschlag wurde vom Europäische Parlament am 30.03.2023 mit Änderungen angenommen. Dies soll zum Anlass genommen werden, die aktuellen Entwicklungen zum Thema Equal Pay näher zu beleuchten.

BAG: Besseres Verhandlungsgeschick kein Argument für Entgeltungleichheit 
Erst kürzlich hat das BAG den Anspruch von Frauen auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit auf nationaler Ebene gestärkt. Besseres Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen ist kein objektives Kriterium, um zu rechtfertigen, dass der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt (vgl. BAG, Urteil vom 16.02.2023 - Az. 8 AZR 450/21). Die Entscheidung des BAG hat in den Medien große Beachtung gefunden und schafft nach den grundlegenden Entscheidungen des BAG aus dem Jahren 2020 (Urteil vom 25.06.2020 - Az. 8 AZR 145/19) und 2021 (Urteil vom 21.01.2021 - Az. 8 AZR 488/19) weitere Grundlagen für die Entgeltfestsetzung.

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall ging es um eine im Vertrieb tätige Außendienstmitarbeiterin. Das beklagte Unternehmen beschäftigte insgesamt drei Mitarbeiter im Außendienst, darunter die Klägerin und zwei männliche Kollegen. Einer der Männer war kurz nach der Klägerin eingestellt worden und hatte, wie die Klägerin später erfuhr, ein deutlich höheres Grundgehalt ausgehandelt als sie selbst. Die Mitarbeiterin verlangte unter anderem die Zahlung der Differenzbeträge zum Gehalt des männlichen Kollegen und eine angemessene Entschädigung. 

Im Ergebnis hat das BAG einen Anspruch aus Art 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundgehalt bejaht. Bereits der Umstand, dass die Klägerin bei gleicher Tätigkeit ein geringeres Grundentgelt als ihr männlicher Kollege erhalten hat, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Diese Vermutung muss der Arbeitgeber wiederlegen. Der von Arbeitgebern häufig vorgebrachte Verweis auf individuelle Gehaltsverhandlungen oder das Interesse des Arbeitgebers an der Mitarbeitergewinnung ist hierfür jedenfalls nicht geeignet. Vielmehr muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass die ungleiche Bezahlung nicht auf dem Geschlecht, sondern auf anderen objektiven Kriterien beruht. In Betracht kommen dabei nur die in § 3 Abs. 3 S. 2 EntgTranspG genannten „arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene[n] Kriterien“. Hierunter fällt z.B. das Kriterium der Dauer der Betriebszugehörigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.2021 - 8 AZR 488/19). 

Neue EU-Richtlinie für mehr Entgelttransparenz
In der Praxis bleiben solche Entgeltdiskriminierungen aufgrund mangelnder Entgelttransparenz oft unentdeckt. Mit der neuen EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz sollen die bestehenden EU-Vorschriften zur Entgeltgleichheit (Richtlinie 2006/54/EG) gestärkt und durch verbindliche Maßnahmen besser durchgesetzt werden. Die neue EU-Richtlinie sieht im Wesentlichen folgende Maßnahmen vor:

  • Entgelttransparenz für Bewerber: Bewerber sollen vom künftigen Arbeitgeber Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne erhalten (Art. 5 Abs. 1 a)). Dadurch soll Entgelttransparenz bei Gehaltsverhandlungen vor der Beschäftigung gewährleistet werden.
  • Auskunftsrecht: Nach Art. 7 haben Arbeitnehmer ein Auskunftsrecht über die Höhe ihres individuellen Entgelts und des Durchschnittsentgelts. Eine Ausnahme für Kleinbetriebe ist nicht vorgesehen. Zwar sind Auskunftsansprüche bereits aus den §§ 10 ff. EntgTranspG bekannt. Die bestehenden Regelungen sind jedoch deutlich restriktiver.
  • Berichterstattung über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle: Abhängig von der Unternehmensgröße sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, über das Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmern zu berichten (Art. 8 ff.). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist soll dies bereits für Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten gelten.
  • Entschädigung für Arbeitnehmer: Zwar ergibt sich aus der EU-Richtlinie kein unmittelbarer Anspruch auf eine entsprechende individuelle Entgeltanpassung. Nach Art. 16 sollen die Arbeitnehmer jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz haben.
  • Verlagerung der Beweislast: Grundsätzlich soll der Arbeitgeber nachweisen müssen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorgelegen hat (Art. 18).
  • Sanktionen: Die Mitgliedstaaten sollen Vorschriften „über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ für Verstöße gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit erlassen (Art. 23).

Im nächsten Schritt muss der Europäische Rat den erarbeiteten Text förmlich billigen, bevor er unterzeichnet und im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden kann. Anschließend müssen die Mitgliedsstaaten die Vorgaben noch in nationales Recht umsetzen. Es bleibt insbesondere abzuwarten, welche konkreten Sanktionen das EntgTranspG vorsehen wird. 

Fazit 
Aktuell gibt es sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene einige praxisrelevante Entwicklungen in der Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Thema Equal Pay. 

Die jüngste Entscheidung des BAG hat gezeigt, dass die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen für eine gleiche oder gleichwertige Arbeit einer besonderen Rechtfertigung bedarf. In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei unterschiedlichen Gehaltsverhandlungen grundsätzlich eine Pflicht zur Entgeltangleichung angenommen werden muss. Nicht abschließend geklärt ist unter anderem, ob dies auch für Gehaltsverhandlungen im laufenden Arbeitsverhältnis gilt. Auch insoweit bleibt die Veröffentlichung der ausführlichen Entscheidungsgründe abzuwarten.

Mit Blick auf die neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz ist zu erwarten, dass der nationale Gesetzgeber den Spielraum der Arbeitgeber für individuelle Gehaltsverhandlungen weiter einschränken wird. Arbeitgeber sollten sich bereits jetzt darauf einstellen, dass die Entgeltsysteme in den nächsten Jahren transparenter gestaltet werden müssen.

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