• 20. Juni 2025
  • Gesellschaftsrecht und M&A

Patt-Situationen in Familiengesellschaften – Vermeidung und Auflösung

Häufig sind Familiengesellschaften nach gleichberechtigten Familienstämmen verfasst. Nicht selten kommt es im Falle von zwei gleich beteiligten Gesellschaftern zu Meinungsverschiedenheiten und es entsteht eine Patt-Situation, die die Entscheidungsfindung der Gesellschaft blockiert. Wie dieser Stillstand verhindert oder überwunden werden kann, erfahren Sie im Folgenden.

Um solche Patt-Situationen zu verhindern oder aufzulösen, bietet sich eine frühzeitige Befassung mit diesem Thema an. Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn die Nachfolgeplanung ansteht und die nächste Familiengeneration beteiligt werden soll. Dabei stehen der Praxis zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung: 

Anteilsmodell
Die effektivste Möglichkeit, bereits das Entstehen einer lähmenden Patt-Situation zu vermeiden, ist mit der Übertragung von Anteilen eine identische, paritätische, Beteiligung im Vorfeld zu verhindern. Eine 51:49-%-Beteiligung gibt stets einem Gesellschafter die Stimmenmehrheit. Hier kann demjenigen Gesellschafter der höhere Anteil gewährt werden, der das Familienmitglied oder den Familienstamm repräsentiert, dem die Geschäftsleitungsaufgabe zugedacht ist. Nachteil dieses Modells ist, dass mit einer nicht mehr paritätischen Anteilsaufteilung auch ungleiche Gewinnansprüche verbunden sind, da diese an die Anteilsinhaberschaft geknüpft sind. 

Golden-Share-Modell
Unter Beibehaltung der paritätischen Gesellschafterstellungen, kann das sogenannte Golden-Share-Modell verwendet werden. Nach diesem Modell werden dem Gesellschafter, der die operative Leitung innehaben soll, „Golden Shares“ zur Verfügung gestellt. Diese haben Vorrang, bzw. sind mit einem gewichtigeren Stimmrecht verbunden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass je nach Gesellschaftsform gewisse Beschränkungen gelten. Beispielsweise bleiben solche Mehrstimmrechte für Änderungen des Gesellschaftsvertrages einer Personengesellschaft unberücksichtigt. Auch dürfen diese Mehrstimmrechte nicht zu einem faktischen Stimmrechtsausschluss der übrigen Gesellschafter führen.
Daher bietet es sich an, dieses Golden-Share-Modell auf Einzelfallregelungen zu beschränken. Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass die Stimmen des einen oder anderen Gesellschafters nur bei bestimmten Beschlussgegenständen hinsichtlich der Geschäftsleitung maßgeblich sein sollen. 

Shoot-Out- / Russian-Roulette-Klausel
Die drastischste Möglichkeit, Patt-Situationen aufzulösen sind sogenannte Shoot-Out / Russian-Roulette-Klauseln. Inhalt dieser Klauseln ist das Inaussichtstellen des Ausschlusses, sollte es zu unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten kommen. Dabei gibt es mehrere Ausgestaltungsmöglichkeiten, die zwei Bestandteile stets gemein haben. An erster Stelle steht die Definition eines Auslösetatbestandes, die Patt-Situation. Nachfolgend, auf zweiter Stufe, wird das Ausschlusssystem gestaltet. Haben die Gesellschafter eine Shoot-Out-Gestaltung gewählt, macht der das Verfahren auslösende Gesellschafter dem anderen Gesellschafter entweder ein Verkaufsangebot hinsichtlich aller eigenen Anteile oder gibt ein Kaufangebot für alle Anteile des anderen Gesellschafters ab. Der empfangende Gesellschafter hat dann ebenfalls die Möglichkeit ein Angebot zum Verkauf oder Kauf abzugeben, ehe der auslösende Gesellschafter erneut bieten kann. So entsteht ein Bieterverfahren über mehrere Runden. Detailliertere Regelungen können im Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass eine jeweilige Überbietung nur zu einem bestimmten %-Betrag möglich ist. 

Davon abweichend sieht die Russian-Roulette-Gestaltung vor, dass der zunächst empfangende Gesellschafter die Wahl hat entweder das Verkaufsangebot des auslösenden Gesellschafters hinsichtlich seiner Anteile anzunehmen oder nicht. Nimmt er das Angebot jedoch nicht an, ist er verpflichtet dem anderen Gesellschafter seine eigenen Anteile unverzüglich zum gleichen Kaufpreis zu veräußern. 

Deeskalierungsmodell
Das Deeskalierungsmodell soll den Gesellschaftern bereits beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages ein Verfahren zur Hand geben, welches zur Deeskalation bzw. einvernehmlichen Auflösung der Patt- und Konfliktsituation führt. Hier werden vornehmlich weiche Vorgaben festgehalten, die, statt der gesellschaftsrechtlichen, die persönliche Ebene der Konfliktparteien ansprechen. So kann bei Entstehen einer Patt-Situation im Rahmen einer Gesellschafterversammlung eine Abkühlungszeit für den Konflikt von wenigen Wochen festgehalten werden, bis über den Tagesordnungspunkt erneut Beschluss gefasst werden soll. Ebenso können, soweit vorhanden, Familien- oder Unternehmensrichtlinien als Richtschnur für die Entscheidungsfindung angebracht werden. Auch andere objektive Kriterien wie ein Investitionsplan können als maßgebendes Orientierungswerk festgesetzt werden. Der Gesellschaftsvertrag kann auch ein förmliches Schlichtungsverfahren unter Leitung oder Beteiligung eines externen Dritten (bspw. des beratenden Anwalts oder des mit Familienfremden besetzten Beirates) vorsehen, welches im Falle einer Patt-Situation durchlaufen werden muss. 

Organdelegierung
In Anknüpfung an das Deeskalierungsmodell kann die Entscheidungskompetenz in der betreffenden Patt-Situation an ein anderes Gesellschaftsorgan delegiert werden. Üblicherweise bietet es sich in den Fällen an, in denen ohnehin ein Gesellschaftsorgan außerhalb der Gesellschafterversammlung vorhanden ist. Dieses Organ wird bei Familiengesellschaften entweder mit nicht mehr operativ tätigen Familienmitgliedern besetzt oder umgekehrt mit ausschließlich familienfremden Personen. Ein solches Gesellschaftsorgan kann insbesondere ein fakultativer Aufsichtsrat oder ein Beirat sein. 

Losverfahren
Das Los kann ebenfalls ausweglose Situationen überwinden. Dieses Verfahren wird regelmäßig von einer Seite als unbeeinflusst und damit gerecht empfunden und von anderer Seite als willkürlich wahrgenommen und trägt damit nicht zur gewünschten Befriedung bei.

Fazit
Eine „harte“, justitiable, Regelung der Patt-Situation ist mit dem Deeskalierungsmodell nicht verbunden. Es ist eher auf eine gütliche Streitbeilegung, ähnlich wie eine gerichtliche Güteverhandlung oder Mediation, gerichtet. Demgegenüber beugt das Anteilsmodell sämtlichen Patt-Situationen vor. Es bedarf lediglich einer grundlegenden Entscheidung im Vorfeld darüber, welchem Familienmitglied oder welchem Familienstamm die Mehrheit der Anteile zufallen soll. Die Nachteile, die mit dem Anteilsmodell und einer Perpetuierung der Ungleichheiten in den Gewinnbezugsrechten entstehen, können wiederum mit dem Golden-Share-Modell umgangen werden. Ungleichheiten entstehen hier nur in Bezug auf Stimmrechte. Alle übrige Rechte, die aus der Gesellschafterstellung folgen, bleiben im angedachten 50/50-%-Verhältnis. Die Einbindung eines weiteren Organs bietet den Vorteil einer unbeteiligten Befassung ohne familiäre Vorbelastung. Shoot-Out oder Russian-Roulette-Klauseln stellen in der Folge ein zumeist nicht gewolltes Ergebnis dar, können aber gerade aufgrund der drastischen Folge einen zielführenden Anreiz zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung darstellen. Dennoch sind solche Klauseln eher im Rahmen von Joint-Venture-Vereinbarungen unter familienfremden Parteien zu finden. Die drastischen Folgen bzw. Eskalationsstufen berücksichtigt die personalistisch geprägten Besonderheiten einer Familiengesellschaft unter Umständen nicht ausreichend. Welches Modell für die jeweilige Familiengesellschaft passend ist, hängt vom Gegenstand der Gesellschaft ab sowie dem Bedarf der Gesellschafter und deren Konfliktpotenzial. Selbstverständlich können die einzelnen Modelle kombiniert werden.