- 28. April 2022
- Gesellschaftsrecht und M&A
Referentenentwurf zur Novellierung des Umsetzungsgesetzes und zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Umwandlungen veröffentlicht
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat den Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Richtlinie (EU) 2019/2121) vorgelegt, die auch zahlreichen Neuerungen für das nationale im Umwandlungsrecht enthält.
Der in der vergangenen Woche veröffentlichte Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (teilweise auch als „Mobilitätsrichtlinie“ bezeichnet) soll für europäische Kapitalgesellschaften einheitliche Regelungen für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen schaffen und das bereits unionsweit harmonisierte Verfahren der grenzüberschreitenden Verschmelzung modernisieren. Die hierbei eingeführten Neuregelungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen orientieren sich zukünftig weitgehend an den Verfahren, die im Zusammenhang mit der Verschmelzungsgründung einer SE bereits etabliert sind. Weitergehend sollen mit dem Referentenentwurf erstmals die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Spaltung und die Möglichkeit für einen Formwechsel in eine andere EU-Kapitalgesellschaft (sog. Formwechsel „über die Grenzen hinweg“) im nationalen Umwandlungsrecht verankert werden. Hiervon ist auch der grenzüberschreitende Formwechsel in Form der isolierten Satzungssitzverlegung erfasst.
Um die frühzeitige Beteiligung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen sicherzustellen und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer zu wahren, werden umfassende Informations- und Beteiligungspflichten der beteiligten Rechtsträger vorgesehen. Insofern orientiert sich der Entwurf grundsätzlich an dem von der SE bekannten Verhandlungsmodell mit Auffanglösung im sog. besonderen Verhandlungsgremium (BVG). Allerdings greift das europäische Mitbestimmungsregime zukünftig bei allen grenzüberschreitenden Umwandlungsfällen bereits dann, wenn die sich formwechselnde oder spaltende Gesellschaft in den sechs Monaten vor Bekanntmachung der Umwandlungsmaßnahme oder eine der sich verschmelzenden Gesellschaften mindestens vier Fünftel (in Deutschland mithin ab 400 Arbeitnehmern) des im nationalen Recht vorgesehenen Schwellenwerts für die Mitbestimmung überschreitet.
Zur effizienten Umsetzung grenzüberschreitender Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel wird ein europaweit kompatibles Registerverfahren eingeführt, bei dem die beteiligten Handelsregister digital miteinander kommunizieren sollen. Hierzu wird aufgrund des Referentenentwurfs das registerrechtliche Verfahren angepasst und die Prüfungspflichten der Registergerichte substantiell erweitert. Registergerichte sollen zukünftig im Rahmen einer echten Missbrauchskontrolle vor einer Eintragung inhaltlich prüfen, ob grenzüberschreitende Verschmelzungen zu missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken vorgenommen werden. Diese können etwa darin liegen, Arbeitnehmerrechte zu umgehen, was nach Auffassung des BMJ beispielsweise dann der Fall sei, wenn das mitbestimmungsrechtlich gebotene Verhandlungsverfahren im BVG erst auf Aufforderung des Gerichts eingeleitet worden ist, bzw. die Leitungsorgane im BVG erkennbar keine ernsthaften Verhandlungen über das Mitbestimmungsstatut führen, obwohl die Arbeitnehmerzahl eines der beteiligten Unternehmen vier Fünftel eines Schwellenwerts der deutschen Mitbestimmungsgesetze erreicht (vgl. S. 101 RefE).
Außerdem wird der Schutz der Gläubiger bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen stark ausgeweitet. Hierzu ist vorgesehen, dass eine Eintragung der Umwandlungsmaßnahme grundsätzlich nur erfolgen darf, wenn den Gläubigern eine Sicherheitsleistung gewährt wird, sofern die Gläubiger die Erfüllung einer Forderung durch die Umwandlung glaubhaft als gefährdet geltend machen. In diesem Rahmen können die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft einen Antrag beim zuständigen Registergericht stellen.
Da das BMJ und die von diesem eingesetzte Expertenkommission im Zusammenhang mit der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie zu der Auffassung gelangte, dass eine Vielzahl der Regelungen im nationalen Umwandlungsrecht in diesem Zuge ebenfalls überarbeitet werden können, sieht der Referentenentwurf zudem eine Reihe von Erleichterungen für rein innerstaatliche Umwandlungen vor. So sollen sowohl für grenzüberschreitende als auch für innerstaatliche Umwandlungen die Regelungen zum Verschmelzungsbericht und zur Verschmelzungsprüfung angepasst und die Rechte von Minderheitsgesellschaftern übertragender und übernehmender Gesellschaften von Verschmelzungen vereinheitlicht werden.
Darüber hinaus enthält der Entwurf in § 72a UmwG-E die Möglichkeit, dass Aktiengesellschaften (AG & SE) und Kommanditgesellschaften auf Aktien anstelle einer Barabfindung bei einem unangemessenen Umtauschverhältnis künftig erforderliche Anpassungen der Wertverhältnisse durch die Ausgabe neuer Aktien ausgleichen können. Zur Schaffung dieser Anteile sollen künftig in §§ 72a, 72b UmwG detaillierte Regelungen festgelegt werden, um die übernehmende Gesellschaft vor einer nachträglichen Liquiditätsbelastung in ungewisser Höhe zu schützen. Hierdurch wird den übernehmenden Gesellschaften eine liquiditätsschonende Möglichkeit eröffnet, Investitionen im Zuge von Umstrukturierungen vorzunehmen. Für andere Gesellschaftsformen, insbesondere die GmbH, sah der Gesetzgeber hingegen aufgrund der überwiegend personalistisch geprägten Struktur keinen vergleichbaren Anpassungsbedarf.
Weiter sieht der Referentenentwurf auch Anpassungen im sogenannten Spruchstellenverfahren vor, das zukünftig auch den Anteilseignern des übernehmenden Rechtsträgers eröffnet werden soll. Diese sollen Umwandlungsmaßnahmen jedoch nicht mehr mit dem Argument angreifen können, dass das Umtauschverhältnis aus ihrer Sicht ungünstig oder die Informationen zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses unzureichend seien.
Da die Richtlinie einen Teil des Gesellschaftsrechtspakets der EU bildet, das bereits zum Ende der vergangenen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments beschlossen wurde und die Reform des Umwandlungsrechts bis zum 31. Januar 2023 in nationales Recht umgesetzt werden muss, ist mit einem zügigen Gesetzgebungsverfahren zu rechnen.