• 16. April 2025
  • Nachhaltigkeit

Überblick zu den European Sustainability Reporting Standards (ESRS): ESRS S4 – Verbraucher und Endnutzer

ESRS S4 stellt Anforderungen an die Offenlegung von Informationen zu den Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Verbrauchern und Endnutzern. Der Standard zielt darauf ab, ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, wie Unternehmen durch ihre Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsbeziehungen direkt oder indirekt das Leben von Verbrauchern beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Im Fokus stehen dabei Aspekte wie Datenschutz, Produktsicherheit, Zugang zu Informationen, nichtdiskriminierende Vermarktung sowie die Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Personengruppen, etwa Kinder oder finanziell benachteiligte Haushalte. Der Standard fordert die Beschreibung von Maßnahmen zur Vermeidung, Minderung oder Behebung negativer Auswirkungen, aber auch zur gezielten Förderung positiver Effekte. Ebenso sind Risiken zu adressieren, die sich aus problematischen Auswirkungen oder Abhängigkeiten ergeben – etwa Reputationsrisiken oder wirtschaftliche Unsicherheiten durch verändertes Konsumverhalten. Voraussetzung für die Anwendung von ESRS S4 ist, dass im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse eine Relevanz entsprechender Themen festgestellt wurde. Der Standard ist in Verbindung mit den allgemeinen Anforderungen sowie weiteren sozialen ESRS zu verstehen.

1. Strategie
Unternehmen sollen darlegen, wie die Interessen, Standpunkte und Rechte ihrer Verbraucher und Endnutzer, einschließlich der Achtung ihrer Menschenrechte, in die Strategie und das Geschäftsmodell einfließen. Darüber hinaus ist offenzulegen, ob und wie tatsächliche oder potenzielle Auswirkungen auf diese Gruppen aus der Unternehmensstrategie oder dem Geschäftsmodell resultieren oder diese beeinflussen. Ebenso sind Informationen darüber bereitzustellen, welche Arten von Verbraucher von wesentlichen Auswirkungen betroffen sind, ob diese Auswirkungen systemisch oder einzelfallbezogen auftreten und ob sie sich aus bestimmten Geschäftsbeziehungen ergeben. Zusätzlich ist das Verhältnis zwischen diesen Auswirkungen sowie den daraus resultierenden Risiken und Chancen zur Strategie und zum Geschäftsmodell des Unternehmens zu beschreiben.

2. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen
Das Unternehmen erläutert seine Konzepte im Umgang mit wesentlichen Auswirkungen auf Verbraucher und Endnutzer und der damit verbundenen wesentlichen Risiken und Chancen. Dabei geht es insbesondere um menschenrechtsrelevante Aspekte wie das Recht auf Datenschutz, körperliche Unversehrtheit oder faire Vermarktung. Beschrieben wird auch, wie besonders schutzbedürftige Gruppen identifiziert und berücksichtigt werden.

Ein zentraler Bestandteil ist die Darstellung der Verfahren zur Einbeziehung von Verbrauchern – etwa über Konsultationen, Dialogformate oder Stellvertretungen durch Verbraucherschutzorganisationen. Es wird offengelegt, in welchen Phasen diese Einbindung erfolgt, wie regelmäßig sie stattfindet, welche Unternehmensbereiche dafür verantwortlich sind und ob die Ergebnisse Eingang in die Entscheidungsprozesse finden. Darüber hinaus wird beschrieben, über welche Kanäle Verbraucher Bedenken äußern können, ob Beschwerdemechanismen vorhanden sind, wie sie genutzt werden und wie ihre Wirksamkeit sichergestellt wird. Maßnahmen zur Verbesserung nachteiliger Auswirkungen – etwa durch Anpassungen im Produktdesign, in der Vermarktung oder durch Kooperation mit Partnern – sind ebenfalls Bestandteil der Offenlegung. Dabei wird auch dargelegt, wie das Unternehmen Risiken für sich selbst erkennt, minimiert und Chancen aktiv nutzt, zum Beispiel durch verbesserte Kundenzufriedenheit oder den Zugang zu neuen Märkten. Es ist außerdem darzustellen, ob die eigenen Praktiken – wie Verkauf, Marketing oder Datenverarbeitung – selbst negative Auswirkungen verursachen oder verstärken, und ob diese im Spannungsverhältnis zu unternehmerischen Zielen stehen. 

3. Kennzahlen und Ziele
Das Unternehmen benennt terminierte und ergebnisorientierte Ziele, die zur Verringerung negativer Auswirkungen, zur Förderung positiver Effekte oder zum Umgang mit wesentlichen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Verbrauchern und Endnutzern festgelegt wurden. Es erläutert, wie diese Ziele zustande gekommen sind, ob dabei relevante Interessengruppen – wie die Verbraucher selbst oder deren Vertreter – einbezogen wurden und inwiefern sie bei der Festlegung, Nachverfolgung oder Weiterentwicklung der Ziele mitgewirkt haben. Ergänzend sind Informationen zur Wirksamkeit der Maßnahmen und zur Zielverfolgung offenzulegen, wie sie auch im Standard ESRS 2 vorgesehen sind.

4. Herausforderungen
Die Umsetzung von ESRS S4 stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen. Dazu zählt die Erhebung belastbarer Informationen über Auswirkungen auf Endnutzer, insbesondere in komplexen Wertschöpfungsketten oder digitalisierten Märkten. Auch die systematische Erfassung schutzbedürftiger Gruppen, die Sicherstellung der Datenethik und der Aufbau glaubwürdiger Beteiligungsverfahren verlangen Zeit, Ressourcen und interdisziplinäre Expertise. Zudem bedarf es verlässlicher Mechanismen zur Wirksamkeitskontrolle von Maßnahmen sowie einer fortlaufenden Überprüfung unternehmerischer Praktiken im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zielsetzungen und Konsumentenschutz.

5. Chancen
Gleichzeitig bietet die Anwendung von ESRS S4 bedeutende Chancen. Unternehmen, die die Bedürfnisse und Rechte von Verbrauchern aktiv in ihre Geschäftstätigkeit einbeziehen, können nicht nur Vertrauen und Kundenbindung stärken, sondern sich auch als Vorreiter für verantwortungsvolle Produkte und Services positionieren. Die Auseinandersetzung mit sozialen Auswirkungen kann Innovationsprozesse anregen, neue Zielgruppen erschließen und langfristige Resilienz fördern – etwa durch die Entwicklung sicherer, transparenter oder barrierefreier Angebote. Auch im Hinblick auf regulatorische Entwicklungen und Investorenanforderungen kann ein proaktiver Umgang mit dem Thema Wettbewerbsvorteile schaffen. 

6. Beispiel
Ein Bekleidungsunternehmen mit europaweitem Online-Vertrieb richtet seine Produktkommunikation gezielt auf Transparenz und Barrierefreiheit aus. Neben detaillierten Informationen zur Materialzusammensetzung und Pflege bietet es visuelle Größenhilfen und inklusive Modelldarstellungen an. Zudem werden Hinweise zu allergieauslösenden Stoffen in leicht verständlicher Sprache kommuniziert. Kunden mit besonderen Bedürfnissen – etwa in Bezug auf Hautverträglichkeit oder sensorische Reize – erhalten so besseren Zugang zu passenden Produkten. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur die Nutzererfahrung, sondern stärken auch das Vertrauen in Marke und Sortiment. 

Fazit
ESRS S4 rückt Verbraucher und Endnutzer als zentrale Anspruchsgruppen unternehmerischen Handelns in den Fokus. Der Standard fordert eine strukturierte Auseinandersetzung mit deren Rechten, Bedürfnissen und Schutzinteressen. Wer die Anforderungen gewissenhaft umsetzt, kann nicht nur Risiken vorbeugen, sondern auch gesellschaftliches Vertrauen und wirtschaftliche Resilienz stärken.