- 25. August 2023
- Arbeitsrecht
BAG entscheidet über fristlose Kündigung wegen herablassender Äußerungen in WhatsApp-Gruppe
Dass beleidigende, rassistische oder sexistische Äußerungen grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen können, ist allgemein bekannt. Schwieriger ist die Rechtslage allerdings zu beurteilen, wenn das Interesse des Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis aus solchen Gründen fristlos zu beenden, mit einer berechtigten Vertrauenserwartung des Arbeitnehmers kollidiert. In seiner Entscheidung vom 24.08.2023 hat sich das BAG hierzu nun positioniert und ausgeführt, dass sich ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall musste das BAG über die Wirksamkeit einer außerordentlich fristlosen Kündigung entscheiden, die der Arbeitgeber ausgesprochen hatte, nachdem ihm zufällig bekannt wurde, dass der Kläger als Mitglied einer WhatsApp-Chatgruppe, der diverse andere Arbeitnehmer angehörten und die seit mehreren Jahren gepflegt wurde, sich in beleidigender und menschenverachtender Weise ua. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen äußerte. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet, zwei sogar miteinander verwandt. In den Vorinstanzen (zuletzt LAG Niedersachsen (15. Kammer), Urt. v. 19.12.2022 – 15 Sa 284/22) wurde der Kündigungsschutzklage des Klägers mit der Begründung stattgegeben, dass der Kläger als Mitglied der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz der Sphäre vertraulicher Kommunikation beanspruchen könne. Als Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Teilnehmern der Chatgruppe würden die getroffenen Äußerungen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorginge.
Entscheidungsgründe
Das BAG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen. Insbesondere stellte das BAG in den Vordergrund, dass es einer Abwägung im Einzelfall bedürfe, ob dem Arbeitnehmer eine Vertraulichkeitserwartung in Bezug auf seine Äußerungen innerhalb einer Chatgruppe zustehe. Ob eine solche Vertraulichkeitserwartung bestünde, sei insbesondere von der personellen Zusammensetzung, der Größe der Chatgruppe sowie dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten abhängig. Das BAG betonte, dass eine Vertraulichkeitserwartung in einem Fall wie diesem nur im Ausnahmefall bestünde. Der Kläger wird daher erneut vor dem LAG Niedersachsen darlegen müssen, worauf er eine entsprechende Vertraulichkeitserwartung begründet, insbesondere unter Einbeziehung von Gruppengröße, geänderte Gruppenmitglieder und deren Beteiligung an dem Austausch, sowie angesichts der getätigten, massiv herablassenden Äußerungen.
Praxishinweis
Beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen, die unter Einsatz von elektronischen Medien und/oder Arbeitsmitteln begangen werden, sind für den Arbeitgeber häufig schwierig vor Gericht darzulegen. Zum einen müssen neben datenschutzrechtlichen Bestimmungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und – wie im vorliegenden Fall relevant – die Vertraulichkeitserwartung im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden. Viele Äußerungen würden zwar, wären sie nachweisbar unter Zeugen „laut auf dem Flur“ geäußert worden, als Grund für eine außerordentliche Kündigung ausreichen; es kann jedoch – je nachdem, wie der Arbeitgeber die Daten erlangt – zu einem Sachvortrags- bzw. Beweisverwertungsverbot kommen. Auch kann, wie im vorliegenden Fall, streitentscheidend sein, ob der Arbeitnehmer berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass seine Äußerungen einer Vertraulichkeit unterfallen. So wird sicherlich eine Äußerung in einem zu dienstlichen Zwecken genutzten Tool anders zu bewerten sein, als ein privater WhatsApp-Chat. In diesem Zusammenhang sollten Arbeitgeber konkrete Regelungen für die Nutzung von IT-Equipment und Software aufsetzen und, sofern ein Betriebsrat besteht, die für und widerstreitenden Interessen in der Betriebsratsanhörung darstellen und den Sachverhalt sauber und vollständig darlegen.