• 20. Januar 2022
  • Immobilienrecht

Corona, es siegt der gesunde Menschenverstand: Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu coronabedingten Mietanpassungen („KiK“)

Im Laufe des letzten Jahres hat es mehrere oberlandesgerichtliche Entscheidungen zu der Frage gegeben, ob und in welcher Höhe Gewerbemieter coronabedingt die Mieten anpassen können. Bei diesen Entscheidungen zeichnete sich keine klare Linie ab. Die Gerichte sprachen höchst unterschiedliche Mietreduzierungen zu bzw. lehnten diese ab. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun mit Urteil vom 12. Januar 2022 (Az: 12 ZR 8/21) erstmalig höchstrichterlich hierzu entschieden. 

Nach Auffassung des BGH stellt eine behördlich angeordnete Geschäftsschließung im Gewerberaummietrecht keinen Mangel des Mietobjekts dar und begründet damit kein Recht auf Mietminderung. Allerdings soll eine Mietanpassung auf Grundlage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) möglich sein. Nach Auffassung des BGH haben Gewerbetreibende, die im Corona-Lockdown ihr Geschäft schließen mussten und dadurch nachweislich Einkommenseinbußen erlitten haben, daher grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miethöhe für den Zeitraum der Schließung.  Die hoheitliche Schließungsanordnung begründet nach Auffassung des BGH eine Störung der Geschäftsgrundlage und damit grundsätzlich ein Recht des Mieters auf Anpassung der Miete. Wieviel Miete letztendlich zu entrichten sei, bestimme sich allerdings nach den Umständen des konkreten Einzelfalls, in die auch die Interessen des Vermieters einzubeziehen seien. 

Der BGH hatte sich mit der Klage des Vermieters eines an den Textildiscounter KiK vermieteten Gebäudes in Sachsen auseinanderzusetzen. KiK hatte aufgrund der behördlich angeordneten Schließung eines Geschäfts in Sachsen für den Monat April keine Miete gezahlt. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte in zweiter Instanz entschieden, dass KiK aufgrund der behördlich angeordneten Schließung nur die Hälfte der Miete zu zahlen habe. Dieses Urteil hat der BGH nun aufgehoben und an das OLG Dresden zurückverwiesen. Grundsätzlich hat der BGH aber bestätigt, dass durch die behördlich angeordnete Geschäftsschließung während des Corona-Lockdows ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar sei und es einer Anpassung der Miete bedürfe. Hierfür sei jedoch eine umfassende Abwägung erforderlich, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien.  Durch die Corona Pandemie habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, welches von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst werde. Das damit verbundene Risiko könne regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. 

Anders als die Vorinstanzen geht der BGH jedoch nicht davon aus, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Nach Auffassung des BGH ist vielmehr im Einzelfall zu ermitteln, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden beim gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen. Der BGH stellt insoweit klar, dass es hierbei auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz ankommt. Weiterhin ist nach den Ausführungen des BGH zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Der BGH weist darauf hin, dass es bei der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste kommen darf. Insoweit seien bei der Prüfung auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Schließlich seien bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen. 

Die Entscheidung des BGH ist richtig und im Ergebnis begründet. Sie trägt dem Grundgedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach einer fairen Verteilung der Risiken Rechnung. 

Fazit Mieter

Will der Mieter eine Anpassung der Miete nach dem Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durchsetzen, so hat er konkret zu seinem persönlichen Umsatzrückgang und den erlangten Unterstützungsleistungen vorzutragen. Ein pauschaler Vortrag, wie er häufig zu hören ist „man habe doch wegen Corona schließen müssen“, wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, um eine gerichtliche Mietreduzierung durchzusetzen. Auch werden die Gewerbemieter zukünftig darlegen müssen, welche Corona-Hilfen ihnen ausgezahlt wurden bzw. welche sie aus welchen Gründen nicht beantragt haben bzw. beantragen konnten.

Fazit Vermieter

Für die Vermieter wird sich die Situation zukünftig dahingehend verändern, dass sie damit rechnen müssen, Vertragsanpassungen vorzunehmen; jedoch wird es zunächst Aufgabe der Mieter sein, die tatsächlich entstandenen Nachteile nachzuweisen. 

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