• 05. November 2025
  • Arbeitsrecht

Die geplante Aktivrente – Chancen und Risiken für Arbeitgeber

Die geplante Aktivrente – Chancen und Risiken für Arbeitgeber

Die Bundesregierung hat kürzlich den Entwurf zum sog. Aktivrentengesetz verabschiedet. Sollte das Gesetz wie geplant die parlamentarische Zustimmung finden (zum aktuellen Verfahrensstand hier), tun sich ab dem 1. Januar 2026 für Arbeitgeber neue Gestaltungsmöglichkeiten auf – aber auch Risiken.

Wie profitieren Arbeitgeber?
Wesentlicher Inhalt des Gesetzes ist die Einführung eines Steuerfreibetrags in Höhe von 24.000 € im Jahr (im Durchschnitt also 2.000 € im Monat) für Arbeitnehmer, die das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben und weiterhin einer nichtselbstständigen Beschäftigung nachgehen. Das Gesetz soll für Beschäftigte einen Anreiz schaffen, länger im Arbeitsmarkt zu bleiben.

Arbeitgeber wiederum können dadurch attraktivere Erwerbsmöglichkeiten anbieten und den Fachkräftemangel abfedern. Know-how von älteren Arbeitnehmern lässt sich so längerfristig binden. Das Gesetz gilt aber nicht nur für Bestandsarbeitnehmer – auch „neue Ältere“ können mit der Aussicht auf steuerfreies Einkommen angeworben werden.

Wer kann Aktivrentner werden – und wer nicht?
Von dem Gesetz erfasst werden Beschäftigte, die die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht haben, also grundsätzlich Personen ab 67 Jahren. Der Entwurf berücksichtigt ebenfalls die Übergangsregelung zur stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze: Im Jahr 2026 können damit schon Personen aus dem Geburtenjahrgang 1960 Aktivrentner werden, sobald sie 66 Jahre und vier Monate alt sind.

Nicht erfasst werden Personen, die aufgrund (besonders) langjähriger Versicherung mit oder ohne Abschläge früher in Rente gehen können; ebenfalls nicht, wer wegen Schwerbehinderung vorzeitig Altersrente beziehen kann. Arbeitgeber sollten daher genau darauf achten, aus welchem Grund Rentenanspruch besteht, um dem potenziellen Aktivrentner keine falschen Versprechungen zu machen.

Was müssen Arbeitgeber abführen?
Steuerfrei ist allein das Einkommen, das nach Erreichen der Regelaltersgrenze verdient wurde. Vergütung für Tätigkeiten vor dem Erreichen des Rentenalters wird nicht privilegiert, selbst wenn sie erst danach ausgezahlt wird.

Auf das steuerfreie Einkommen für Aktivrentner müssen Arbeitgeber in gewohntem Umfang zumindest ihren Teil zur Sozialversicherung (auch Rentenversicherungsbeiträge) abführen, wobei bereits jetzt sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten bei der Beschäftigung von Rentnern gelten (z.B. ermäßigter Beitragssatz bei der Krankenversicherung). Für den Beschäftigten selbst ergeben sich Befreiungsmöglichkeiten.

Fallstricke im Befristungsrecht
Selbstständige Tätigkeiten werden durch die neue Regelung nicht steuerfrei gestellt. Es muss also zwingend ein Arbeitsverhältnis bestehen, um von den Erleichterungen profitieren zu können. Hier lauern für Arbeitgeber erhebliche Risiken im Befristungsrecht.

Hintergrund: Selbst „unbefristete“ Standardarbeitsverträge sind bei gut beratenen Unternehmen zumindest wirksam bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze befristet. Ist diese Schallmauer jedoch einmal durchbrochen, droht – wörtlich – das Arbeitsverhältnis bis zum Tod. Dabei haben beide Parteien naheliegenderweise ein Interesse daran, das „Arbeitsverhältnis im Ruhestand“ nur auf Zeit zu schließen.

Neueinstellungen können sachgrundlos befristet werden
War der Aktivrentner zuvor noch nicht im Betrieb beschäftigt, kann zunächst weitgehend unkompliziert ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden: Bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren ist die Befristung bei Neueinstellungen (sogar wiederholt) auch ohne Sachgrund möglich (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG). Junge Unternehmen haben sogar die Möglichkeit, die Befristung auf vier Jahre auszudehnen (Abs. 2a). Damit könnten Aktivrentner ausgerechnet in das Visier von Start-ups geraten.

Keine sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung
In vielen Fällen wird die sachgrundlose Befristung allerdings daran scheitern, dass der Aktivrentner bereits zuvor im Unternehmen tätig war. Schließlich wollen Arbeitgeber oftmals bewährte Arbeitnehmer über den Renteneintritt hinaus binden. Einer sachgrundlosen Befristung steht dann das sog. Vorbeschäftigungsverbot entgegen: § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG untersagt eine sachgrundlose Befristung, wenn zuvor schon ein Arbeitsverhältnis bestand.
Ob sich die Befristung auf einen Sachgrund aus § 14 Abs. 1 TzBfG stützen lässt, muss im Einzelfall geprüft werden. Anerkannt ist aber, dass die Beschäftigung eines Altersrentners an sich kein tauglicher Befristungsgrund ist. Diskutiert wird derweil, ob eine Befristung „auf Wunsch“ des Aktivrentners erfolgen könnte.

Alternative: Aufschieben des altersbedingten Beendigungszeitpunktes
Eine Alternative zum Abschluss eines neuen, befristeten Arbeitsvertrages kann bei Vorbeschäftigung unter Umständen eine sog. Hinausschiebensvereinbarung nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB VI darstellen. Gibt es im Arbeitsvertrag bereits eine wirksame Abrede, wonach das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll, können die Parteien diesen Beendigungszeitpunkt noch einmal einvernehmlich aufschieben – sogar mehrfach.

Als Sondervorschrift zu § 14 TzBfG ermöglicht § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB VI somit die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass es eines weiteren sachlichen Grundes bedarf. So soll der Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand flexibler gestaltet werden können.

Wer eine solche Hinausschiebensvereinbarung rechtssicher treffen möchte, hat allerdings einige Aspekte zu beachten. Der neue Beendigungszeitpunkt sollte zum einen kalendermäßig bestimmt werden. Die Vereinbarung muss zudem schriftlich erfolgen und ist spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses zu treffen – wer diesen Zeitpunkt verpasst, kann von § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB VI keinen Gebrauch mehr machen. Besteht ein Betriebsrat, ist die Verlängerung außerdem nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

Vorsicht vor Kombination von Verlängerung und Arbeitszeitreduzierung
Höchstrichterlich ungeklärt ist, ob neben der Verlängerung nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gleichzeitig weitere Vertragsbedingungen abgeändert werden dürfen. Oftmals werden die Parteien aber ein Interesse daran haben, neben der Verlängerung auch den Arbeitsumfang oder die Entgelthöhe anzupassen (z.B. eine genaue Stundenzahl für ein Festgehalt von 2.000 €). Derartige Abreden können unter Umständen separat und losgelöst von der Hinausschiebensvereinbarung getroffen werden.

Nachbesserung durch den Gesetzgeber?
Wegen Unsicherheiten bei der Befristung von Aktivrentnern und der Ausnahme von selbstständiger Arbeit wurde bereits Kritik am Gesetzentwurf laut. Ob der Gesetzgeber künftig auch die freie Mitarbeit steuerfrei stellt, ist offen.

Bereits kurz vor dem Entwurf zur Aktivrente legte die Bundesregierung allerdings einen weiteren Gesetzesentwurf vor, der die Befristungsproblematik lösen könnte: Danach soll für Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, künftig das Vorbeschäftigungsverbot nicht mehr gelten. Stattdessen soll es möglich sein, sie bis zu acht Jahre sachgrundlos zu befristen; der Arbeitsvertrag soll bis zu zwölf Mal verlängert werden können. Das würde Arbeitgebern notwendige Flexibilität verschaffen. Auch dieser Entwurf ist indessen vom Bundestag noch nicht verabschiedet worden; er wurde nach erster Beratung Mitte Oktober zurück an die Ausschüsse verwiesen.

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