- 06. April 2023
- Gesellschaftsrecht und M&A
Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen: Einstweilige Verfügung erfordert schnelles Handeln
Wird ein GmbH-Geschäftsanteil eingezogen, muss der Gesellschafter hierauf zügig reagieren. Werden seine Gesellschafterrechte nicht zeitnah durch eine Einstweilige Verfügung gesichert, kann er während der Dauer seiner Klage gegen den Einziehungsbeschluss auf eine Umgestaltung der GmbH keinen Einfluss mehr nehmen.
Problemaufriss
Wird der Geschäftsanteil eines GmbH-Gesellschafters durch Beschluss der Mitgesellschafter eingezogen, steht ihm die Möglichkeit offen, sich hiergegen mittels einer Beschlussmängelklage zu wehren. Dieses Vorgehen hindert die GmbH jedoch nicht am Vollzug des fehlerhaften Einziehungsbeschlusses. Dieser wird dann zunächst als wirksam behandelt. Der Gesellschafter hat zwar nach gerichtlicher Nichtigerklärung des Einziehungsbeschlusses einen Anspruch auf Wiederaufnahme in die GmbH. Zwischenzeitlich getroffene Gesellschafterbeschlüsse bleiben allerdings wirksam.
Um bis zur gerichtlichen Entscheidung Mitgliedschaftsrechte in der GmbH ausüben zu dürfen, müssen Gesellschafter eine Einstweilige Verfügung beantragen. Hierzu muss u.a. glaubhaft gemacht werden, dass eine vorläufige Regelung durch die Einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Verfügungsgrund). Wird der Gesellschafter hierbei nicht schnell genug tätig, bringt er zum Ausdruck, dass seinem Anliegen die dringliche Regelungsnotwendigkeit fehlt (sog. Selbstwiderlegung). Das Gericht wird eine Einstweilige Verfügung dann nicht erlassen und den Gesellschafter darauf verweisen, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (Beschluss vom 30.6.2022 – 5 W 18/22) zeigt nun, dass ausgeschlossenen GmbH-Gesellschaftern häufig nur wenig Zeit zum Handeln verbleiben wird:
Sachverhaltszusammenfassung
Anfang Dezember 2021 beschlossen die übrigen GmbH-Gesellschafter die Einziehung des Geschäftsanteils ihrer Mitgesellschafterin. Bereits Ende Dezember 2021 wechselten sie den Geschäftsführer aus, übertrugen ihre Geschäftsanteile auf ihre Kinder und gründeten die neue B. GmbH. Diese wurde in Konkurrenz zur GmbH tätig. Anfang Januar 2022 erhob die Gesellschafterin Beschlussmängelklage gegen den Einziehungsbeschluss. Im März 2022 stellte sie fest, dass die Internetpräsenz der GmbH für Werbung der B. GmbH genutzt wurde. Nachdem sie die Alt- und Neugesellschafter der GmbH Mitte April 2022 erfolglos zur Stellungnahme darüber aufgefordert hatte, was man gegen diese Konkurrenztätigkeit zu unternehmen gedenke, beantragte sie Anfang Mai 2022 den Erlass einer Einstweiligen Verfügung. Hiermit begehrte sie unter anderem, die GmbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Beschlussmängelklage zu verpflichten, sie als Gesellschafterin mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln.
Wesentliche Erwägungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M.
Der Antrag hatte keinen Erfolg. Wie das OLG Frankfurt a.M. feststellte, habe die Gesellschafterin die Dringlichkeit ihres Antrags selbst widerlegt, sodass sie keinen Verfügungsgrund glaubhaft machen konnte.
Bereits mit Einziehung des GmbH-Geschäftsanteils bestehe grundsätzlich die Gefahr der Entwertung der Mitgliedschaftsrechte während der Dauer der Beschlussmängelklage. Diese Klage hindere die Gesellschaft nämlich nicht daran, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Aufgrund der Legitimationswirkung dieser Gesellschafterliste sei es den verbleibenden Gesellschaftern möglich, die GmbH durch Beschlüsse umzugestalten. Diese Beschlüsse würden auch bei erfolgreicher Beschlussmängelklage wirksam blieben.
Der hierauf gestützte Verfügungsgrund entfalle unter dem Aspekt der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, wenn der Gesellschafter nach Eintritt der Gefährdung seiner Rechtsstellung nicht zügig eine Einstweilige Verfügung beantragt. Eine zu späte Antragstellung könne zwar nur vorliegen, wenn dem Gesellschafter die Gefährdung seiner Rechtsstellung bekannt oder zumindest grob fahrlässig unbekannt gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt sei die verbleibende Zeit eine Frage des Einzelfalls. Der Gesellschafter müsse aber auf eine ihm bekannte Gefahr reagieren und dürfe nicht bis zur Gefahrverwirklichung abwarten.
Die Gefährdung ihrer Rechtsstellung sei der Gesellschafterin seit Anfang Dezember 2021 bekannt gewesen. Sie habe den Einziehungsbeschluss gekannt und gewusst, dass dieser sofort wirksam sein sollte. Vor diesem Hintergrund sei ihr ersichtlich gewesen, dass hierdurch typischerweise die Gefahr der zeitnahen Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zum Handelsregister und danach eine Umgestaltung der Gesellschaft drohe, welche sie durch eine Beschlussmängelklage nicht mehr rückgängig machen könne.
Dass sich die Gefährdung in den späteren Beschlussfassungen verwirklicht habe, begründe keine neue Dringlichkeit. Hierbei habe sich lediglich die seit Anfang Dezember 2021 bestehende Gefährdung realisiert.
Konsequenz: Gesellschafter muss zeitnah tätig werden
Von betroffenen Gesellschaftern wird bereits bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der abstrakten Gefährdung ihrer Rechtsstellung – und nicht erst bei Gefahrverwirklichung - Tätigwerden verlangt. Für die Selbstwiderlegung kommt es daher darauf an, ob und wann ein Gesellschafter wusste oder wissen musste, dass eine Beschlussmängelklage die zwischenzeitliche Umgestaltung der Gesellschaft durch die Mitgesellschafter nicht verhindern kann.
Das OLG Frankfurt a.M. verweist hier auf ein Urteil des OLG München (Urteil vom 20.12.2001 – U (K) 4429/01). Danach gilt: Wer Kenntnis von Umständen hat, die eine Rechtsverletzung nahelegen und die verbleibenden Unsicherheiten mit vertretbarem Aufwand beseitigen kann, muss sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschaffen. Er darf nicht abwarten, bis sich die Vermutung zu einem späteren Zeitpunkt zufällig bestätigt.
Dem ausgeschlossenen Gesellschafter wird sich regelmäßig aufdrängen, dass mit dem Einziehungsbeschluss eine Rechtsgutverletzung drohen könnte. Ihn trifft dann die Pflicht, sich über rechtliche Nachteile zu informieren oder beraten zu lassen. Hat er dies vorwerfbar unterlassen, kann grob fahrlässige Unkenntnis der Gefährdung vorliegen.
Die dann noch verbleibende Zeit zur Beantragung einer Einstweiligen Verfügung richtet sich nach dem Einzelfall. Die Rechtsprechung hat in anderen Rechtsgebieten ein Zuwarten von nur einem Monat, selten von maximal drei Monaten, für noch zulässig erachtet. Sicher ist, dass „mit sechs Monaten die Grenze des zulässigen Zuwartens bei Weitem überschritten“ ist (OLG München, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 7 W 186/22) und die hier abgewarteten fünf Monate deutlich zu lang waren.
Der Beschluss des OLG Frankfurt a.M. verdeutlicht nun vor allem, dass der Beginn des ohnehin kurzen Zeitfensters häufig schon mit der Kenntnisnahme des Einziehungsbeschlusses zusammenfallen kann. Ab dann ist Eile geboten.