- 04. November 2025
- Vermögensnachfolge
Erben trotz Scheidung? Es kommt darauf an!
Dass dem Ex-Ehegatten nach der Scheidung kein gesetzliches Erbrecht mehr zusteht, dürfte allgemein bekannt sein. Weniger bekannt dürfte hingegen sein, was mit einem Testament geschieht, das ein Ehegatte (oder eingetragener Lebenspartner) zugunsten des Partners vor der Trennung errichtet hat. Wird das Testament automatisch unwirksam? Oder kann der Ex-Partner unter Umständen doch noch erben?
Diese Frage musste das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 25. Juni 2024 – 31 Wx 250/18) in einem besonders gelagerten Fall klären, da in dem maßgeblichen Testament für den Fall einer Trennung keine Regelung enthalten war.
Der Fall
Ein Mann (der Erblasser) hatte seinen eingetragenen Lebenspartner per Testament als Alleinerben eingesetzt. Später wurde die Lebenspartnerschaft jedoch aufgelöst, weil der Partner schwer erkrankte und zur Pflege zu seiner Tochter zog.
Trotz der rechtlichen Trennung bestand offenbar weiterhin eine enge persönliche Bindung: Der Erblasser äußerte mehrfach, dass sein Nachlass auch künftig der Familie seines früheren Partners zugutekommen solle. Auch das ursprüngliche Testament änderte er nicht. Er platzierte es vielmehr so in der Wohnung, dass es nach seinem Tod leicht gefunden werden konnte.
Streit um den Erbschein
Nach dem Tod des Erblassers wurde aufgrund des Testaments ein Erbschein beantragt, der den erkrankten Ex-Partner des Erblassers als Alleinerben ausweisen sollte. Doch das Amtsgericht München lehnte den Erbscheinsantrag ab. Denn nach § 2077 Abs. 1 BGB wird ein Testament automatisch unwirksam, wenn eine Ehe oder Lebenspartnerschaft nach der Testamentserrichtung aufgelöst wird. Etwas anderes gilt nach § 2077 Abs. 3 BGB nur, wenn der Erblasser trotzdem am Testament festhalten wollte. Genau daran hatte das Amtsgericht Zweifel.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München
Das Oberlandesgericht sah das aufgrund der besonderen Umstände des Falls jedoch anders: Der Wille des Erblassers war klar erkennbar; das Testament sollte trotz Trennung Bestand haben. Dies begründete das Oberlandesgericht u.a. damit, dass die Trennung keine Folge eines Zerwürfnisses, sondern rein pragmatischer Natur war. Dem Erblasser wurde in einer Rechtsberatung die rechtliche Trennung empfohlen, da er bei einer bestehenden Lebenspartnerschaft für die notwendige Pflege seines kranken Partners in Haftung genommen werden könnte. Zudem konnte ein enger Freund des Erblassers glaubhaft schildern, dass die emotionale Verbindung zum Partner nie abgerissen war. Es erscheint darüber hinaus naheliegend, dass dem Erblasser als juristischem Laien nicht bekannt war, dass ein Testament bei Auflösung der Lebenspartnerschaft unwirksam werden könnte. Die bewusste Positionierung des Testaments spricht gerade dafür, dass er von dessen fortbestehender Wirksamkeit ausging.
Das Testament blieb also wirksam und dem Ex-Partner wurde ein Alleinerbschein erteilt. Das Oberlandesgericht betonte in seiner Entscheidung jedoch noch einmal, dass es bei solchen Fällen nicht allein auf formale Kriterien ankommt, sondern eine umfassende Bewertung aller Umstände zur Ermittlung des hypothetischen Willen des Erblassers erforderlich ist.
Fazit für die Praxis
In den meisten Fällen wird ein Testament zugunsten eines Ehegatten mit der Scheidung unwirksam, was regelmäßig auch dem Willen der geschiedenen Eheleute entsprechen dürfte. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts zeigt jedoch, dass ein Testament ausnahmsweise auch nach einer Scheidung wirksam bleiben kann. Hierfür muss klar erkennbar sein, dass die Begünstigung des (Ex-)Partners vom Erblasser unverändert gewollt war.
Die unterschiedlichen Ansichten von Amtsgericht und Oberlandesgericht verdeutlichen zugleich, dass man sich auf die richtige Interpretation seines hypothetischen Willens durch die Hinterbliebenen und die Gerichte nicht verlassen sollte. Es ist dringend zu empfehlen, sein Testament nach einer Trennung oder einer anderen Veränderung im persönlichen Umfeld zu überprüfen und ggf. anzupassen.