- 14. November 2025
- Nachhaltigkeit
EU plant umfassende Vereinfachung der Nachhaltigkeits- und Sorgfaltspflichten
Die Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 13. November 2025 stellt einen bedeutenden Schritt in der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung dar. Erstmals gelangt ein Gesetzgebungspaket, das auf einer Mehrheit aus EVP und rechtsgerichteten Fraktionen basiert, in den Trilog (EU-Kommission, Parlament und Ministerrat). Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass die EU-Nachhaltigkeitsstrategie auf einen rückwärtsgewandten Kurs setzt.
Der geplante „vereinfachte“ regulatorische Rahmen könnte zur Folge haben, dass Unternehmen weniger Verantwortung übernehmen müssen, was gleichzeitig Auswirkungen auf zentrale Mechanismen der EU-Nachhaltigkeitspolitik haben könnte. Eine potenzielle Abschwächung von Transparenz, Verantwortung und der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards könnte das Vertrauen in die Nachhaltigkeitsarchitektur der EU beeinträchtigen und Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel sowie die Förderung von sozialen Menschenrechten in globalen Lieferketten mit sich bringen.
1. Was steckt hinter der geplanten Reform?
Mit der geplanten Reform verfolgt die EU das Ziel, den administrativen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die bisherigen Regelwerke wurden für zu bürokratisch und schwer umsetzbar gehalten – insbesondere für mittelständische Unternehmen. Dazu zählen die Überlastung in Lieferketten, fehlende Daten und Friktionen zwischen verschiedenen Regelwerken wie der CSRD, der EU-Taxonomie, der CSDDD, die zu Überschneidungen führten. Zudem wurde der Druck aus einzelnen Mitgliedstaaten groß, die Regulierungen zu vereinfachen und an die praktischen Bedürfnisse der Unternehmen anzupassen.
Diese Reform ist somit eine Reaktion auf eine Vielzahl an Faktoren. Der Vorschlag sieht vor, die bestehenden Pflichten nicht nur zu vereinfachen, sondern den Anwendungsbereich drastisch zu verkleinern und damit den betroffenen Unternehmen eine Erleichterung zu verschaffen.
2. Was ändert sich konkret?
CSRD / Nachhaltigkeitsberichterstattung
Künftig sollen nur noch Unternehmen mit folgenden Merkmalen berichten müssen:
- > 1.750 Beschäftigte und
- 450 Mio. Euro Umsatz
Weitere Änderungen betreffen die Berichtsstandards, die reduziert und um qualitative Angaben zurückgefahren werden sollen. Branchenspezifische ESRS werden künftig freiwillig. Zudem werden KMU vor zusätzlichen Anforderungen ihrer Geschäftspartner geschützt. Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich der neuen Regelungen für die CSRD fallen, müssen auch im Rahmen der EU-Taxonomie nicht mehr berichten.
Sorgfaltspflichten (CSDDD)
Betroffen sind ausschließlich Unternehmen mit:
- > 5.000 Beschäftigten und
- 1,5 Mrd. Euro Umsatz
Weitere Vereinfachungen umfassen die Streichung eines verpflichtenden Übergangsplan zur Klimakompatibilität, wodurch Unternehmen nicht gezwungen sind, spezifische Klimaziele festzulegen. Stattdessen wird primär auf die Nutzung bestehender Daten gesetzt, um die Anforderungen zu erfüllen. Zusätzliche Lieferkettenabfragen werden nur noch in Ausnahmefällen notwendig. Sanktionen für Verstöße bleiben weiterhin möglich, jedoch nur auf nationaler Ebene.
Zudem soll ein EU-Portal eingerichtet werden, das Unternehmen kostenlos Zugriff auf Vorlagen, Leitfäden und Informationen über EU-Berichtspflichten ermöglicht – ergänzend zum European Single Access Point (ESAP).
3. Zeitlicher Ablauf: Wie geht es weiter?
Am 18. November 2025 beginnen die Trilogverhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Der Abschluss der Gesetzgebung ist für Ende 2025 vorgehsehen. Nach dem Abschluss der Verhandlungen folgt die Umsetzung der neuen Regelungen. Dies umfasst sowohl die Anpassung der bestehenden Texte der CSRD und CSDDD.
4. Auswirkungen der geplanten Reform
Die geplante Reform könnte mehrere Auswirkungen mit sich bringen. Die kontinuierliche Anpassung der Regulierungen könnte zu Unsicherheiten führen und die langfristige Planung für Unternehmen erschweren. Zudem könnten Unternehmen in der EU im Wettbewerb gegenüber Ländern mit strengeren Vorschriften benachteiligt werden. Auch Kapitalmärkte könnten betroffen sein, da Investoren auf verlässliche und vergleichbare ESG-Daten angewiesen sind. Darüber hinaus könnte die Reform im Widerspruch zu den langfristigen Zielen der EU stehen, insbesondere im Bereich Klimaschutz und soziale Verantwortung.
Gleichzeitig könnte eine vereinfachte Regulierungsstruktur den Verwaltungsaufwand verringern und somit die Kosten für Prüfungen und Compliance senken. Diese Reduzierung der Komplexität könnte insbesondere KMUs zugutekommen, indem sie vor unverhältnismäßigen Informationspflichten geschützt werden. Dies könnte es Unternehmen ermöglichen, ihre Ressourcen gezielt auf ihre Kernprozesse zu fokussieren und ihre betriebliche Effizienz zu steigern.
Die politische Dynamik zeigt, dass auch scheinbar feste politische Positionen innerhalb der EU anpassungsfähig sind: So kooperierte die EVP erstmals mit rechtsgerichteten Fraktionen, um das Omnibus-Paket voranzutreiben, was zu einer Neuordnung der politischen Kräfteverhältnisse führen könnte.
5. Fazit
Die geplante Reform bringt eine spürbare Entlastung, insbesondere für Mittelstand und große Konzerne. Gleichzeitig schwächt sie zentrale Steuerungsinstrumente der europäischen Nachhaltigkeitsarchitektur. Problematisch könnte sein, dass künftig nur noch sehr große Unternehmen Berichtspflichten übernehmen müssen, Klimatransitionspläne entfallen und EU-weite Haftungsregulierungen im CSDDD fehlen.
Wir empfehlen Unternehmen dennoch, dass bestehende Projekte nicht abgebrochen, sondern an die neuen Regelungen angepasst werden sollten. Der Fokus sollte auf wesentlichen Daten und Prozessen liegen, interne Systeme sollten möglichst auf Hybridmodelle aus alten und neuen Vorschriften ausgerichtet werden. Risikoanalysen, besonders in Bezug auf das Lieferkettengesetz (LkSG) und CSDDD, sind weiterhin wichtig.
Die kommenden Trilog-Verhandlungen werden zeigen, wie stark diese Entlastung letztlich ausfällt und welche Folgen sie für die Glaubwürdigkeit der EU in Sachen Nachhaltigkeit haben wird.
Sie wollen mehr zu diesem Thema wissen? Wir unterstützen Sie gerne.
Florian Ludwig
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Sustainability-AuditorIDW
Associated Partner
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florian.ludwig@esche.de
Luisa Marie Borchardt
Sustainability Consultant & ESG Manager
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Lisa Bruns
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