- 11. Mai 2023
- Gesellschaftsrecht und M&A
Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditistin haften auch gegenüber der KG
Der BGH hat mit Urteil vom 14. März 2023 entschieden, dass sich der Schutzbereich des zwischen einer geschäftsführenden Kommanditistinnen-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch auf die Geschäftsführung in der Kommanditgesellschaft erstreckt.
Sachverhalt
Nach dem Gesellschaftsvertrag der inzwischen insolventen Publikums-GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin) war zu deren Geschäftsführung ausschließlich eine Kommanditistin, ebenfalls in der Rechtsform der GmbH, berechtigt. Die geschäftsführende GmbH war auch in weiteren Fondsgesellschaften als geschäftsführende Kommanditistin tätig.
Die Insolvenzschuldnerin warb Gelder von Anlegern ein und stellte diese einer mittlerweile ebenfalls insolventen Aktiengesellschaft darlehensweise zum Zwecke des Erwerbs von Immobilien zur Verfügung. Aus den laufenden Zinsen des Darlehens sollten die Ausschüttungen an deren Anleger erfolgen. Im zugrundeliegenden Darlehensvertrag war zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Aktiengesellschaft zuvor vereinbart worden, dass die Darlehen umfangreich besichert werden sollten.
Der Insolvenzverwalter nahm die geschäftsführende GmbH nun wegen einer Teilauszahlung der Insolvenzschuldnerin an die Darlehensnehmerin in Anspruch, da zum Zeitpunkt dieser Auszahlung von den insgesamt gewährten ca. EUR 38 Mio. im Widerspruch zum Darlehensvertrag tatsächlich nur etwa EUR 2,7 Mio. werthaltig besichert worden waren. Eine weitere Sicherheit wurde der Schuldnerin auch im Zusammenhang mit der erfolgten Auszahlung nicht bestellt.
Der BGH hat hierzu am 14. März 2023 (Az.: II ZR 162/21, vorgehend OLG Hamburg, Az: 11 U 71/20) entschieden, dass sich der Schutzbereich der Geschäftsführerhaftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung bei einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH auch auf die Kommanditgesellschaft erstrecke. Für die Haftung der geschäftsführenden GmbH ist sei insofern erforderlich, dass die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft entweder die alleinige oder wesentliche eine Aufgabe der GmbH darstellt.
Anwendbarkeit des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH umfasst der Schutzbereich des zwischen einer Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers auch die Kommanditgesellschaft selbst. Eine Kommanditgesellschaft ist demzufolge nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Schutzbereich des bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen. Diese Grundsätze erstreckt der Bundesgerichtshof nun auch auf den Fall einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH.
Auch ohne die gesetzlichen Voraussetzungen eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) zu erfüllen, könne die Kommanditgesellschaft von den vertragsmäßigen Risiken betroffen sein. Weil sich Fehlleistungen der Geschäftsführung zwangsläufig und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft auswirken, komme die Kommanditgesellschaft bestimmungsgemäß mit den Gefahren der Hauptleistung des Geschäftsführers der geschäftsführenden Gesellschaft in Berührung. Diese Gefahr sei für die geschäftsführende GmbH und ihren Geschäftsführer auch bekannt oder zumindest erkennbar, und die Kommanditgesellschaft nach Treu und Glauben schutzwürdig.
Das wohlverstandene Interesse einer geschäftsführenden und an einer Kommanditgesellschaft beteiligten GmbH gehe demnach dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der Kommanditgesellschaft im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübe. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft sei. Denn in jedem Fall müsse sich eine die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führende GmbH zumindest analog § 31 BGB die Pflichtverletzungen ihres eigenen Geschäftsführers zurechnen lassen.
Kein anderes Ergebnis aufgrund Mehrfach-Geschäftsführungen der GmbH
Nach Ansicht Bundesgerichtshofs sei für die Haftungsverpflichtung der geschäftsführenden GmbH unbedeutend, wenn die Geschäftsführungstätigkeit in der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der geschäftsführenden GmbH ist. Dies war bisher vor allem deshalb umstritten, weil eine mehrfach geschäftsführende GmbH bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeiten potentiellen Interessenkonflikten unterliegen kann. Jedenfalls wenn – wie hier – im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung aber kein tatsächlicher Interessenkonflikt des Geschäftsführers ersichtlich sei, gebe es nach Ansicht des BGHs keinen Grund, das Schutzbedürfnis der Kommanditgesellschaft hinter die nur abstrakt bestehende Möglichkeit einer Interessenkollision zurücktreten zu lassen. Denn die Annahme eines bloß abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften sei insofern jedenfalls nicht ausreichend.
Die Kommanditgesellschaft dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH die Geschäfte der Kommanditgesellschaft auch dann sorgfältig führt, wenn für sie erkennbar ist, dass diese gleichzeitig die Geschäfte in weiteren Gesellschaften führt. Könne eine geschäftsführende Gesellschaft dies nicht gewährleisten, müsse nicht ihr Haftungsumfang reduziert werden, sondern der Umfang ihrer Aufgaben auf ein Maß begrenzen, das ihr die geschuldete ordnungsgemäße Erfüllung aller übernommenen Pflichten ermöglicht.