• 24. August 2023
  • Gesellschaftsrecht und M&A

Investitionsbooster Zukunftsfinanzierungsgesetz?

Am 16. August 2023 hat das Bundeskabinett den Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes beschlossen. Ein wesentlicher Teil des Gesetzesentwurfs betrifft Vereinfachungen für die Eigenkapitaleinwerbung von Aktiengesellschaften. Insbesondere für Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen in der Rechtsform einer AG lohnt sich ein Blick auf die geplanten Maßnahmen.

„Unser Land benötigt Investitionen in nahezu beispiellosem Umfang.“ Mit diesen Worten beginnt der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG). Insbesondere mit folgenden Maßnahmen will der Gesetzgeber das Investitionsklima unterstützen.

Erleichterte Kapitalerhöhungen
Grundsätzlich steht bei Kapitalerhöhungen einer Aktiengesellschaft den Aktionären ein Bezugsrecht zu, das nach einem entsprechenden Bezugsaufruf innerhalb einer Zweiwochenfrist auszuüben ist. Ein Ausschluss dieses Bezugsrechts ist nach geltender Rechtslage im Wege eines vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen erfolgt, 10% des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Erfolgt die Kapitalerhöhung dann noch aus dem genehmigten Kapital, so dass es weder einer Hauptversammlung noch eines Bezugsaufrufs bedarf, kann die Kapitalerhöhung sehr schnell und flexibel eingesetzt werden. Allerdings ist insbesondere im Hinblick auf den hohen Finanzierungsbedarf von Wachstumsunternehmen und Start-Ups die Grenze von 10% oftmals zu niedrig. Solche Unternehmen sind wegen langer Entwicklungszeiten bis zur Produktreife und profitablen Skalierung häufig außerordentlich kapitalintensiv und nicht „bankable“. Aus diesem Grunde möchte der Gesetzgeber die Grenze für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss auf 20% des Grundkapitals anheben. Dies verdoppelt den möglichen Handlungsspielraum der Verwaltung mit einem Schlag und dürfte in der Tat eine wichtige Unterstützung für Unternehmen sein, auf Marktgegebenheiten und Geschäftschancen schnell und flexibel zu reagieren. Die Aktionäre bleiben geschützt und zwar insbesondere durch die Koppelung des Ausgabebetrages an den Börsenpreis und die Möglichkeit, Aktien an der Börse nachzukaufen. Ohnehin besteht nach wie vor das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit beim Beschluss der konkreten Kapitalerhöhung oder bei der Schaffung genehmigten Kapitals.

Mehr Spielraum für die Begebung von Aktienoptionen
Nach aktuell geltender Rechtslage ist das Volumen der Bezugsrechte, die an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung ausgegeben werden können im Ergebnis auf 10% des Grundkapitals der Gesellschaft beschränkt, denn das bedingte Kapital zum Zwecke der Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung darf 10% des Grundkapitals nicht übersteigen. Diese Grenze soll auf 20% angehoben und damit das Volumen der möglichen Aktienoptionen verdoppelt werden. Dadurch soll insbesondere für Wachstumsunternehmen und Start-Ups die Möglichkeit ausgeweitet werden, Mitarbeitern und Führungskräften eine interessante und für das Unternehmen liquiditätsschonende Partizipation an der Unternehmensentwicklung zu ermöglichen.

Gleichzeitig ist beabsichtigt, die Begrenzung des bedingten Kapitals zum Zwecke der Gewährung zur Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen von derzeit 50% auf künftig 60% des Grundkapitals anzuheben, so dass auch etwas großvolumigere Zusammenschlüsse möglich werden.  

Die Grenze für das bedingte Kapital zum Zwecke der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten auf Wandelschuldverschreibungen bleibt unverändert bei 50%.

Schaffung von Mehrstimmrechtsaktien – Golden Shares
Im Laufe der Zeit waren Mehrstimmrechtsaktien im mehrfachen Wechsel zulässig oder verboten. Noch der Gesetzgeber von 1965 hatte Mehrstimmrechtsaktien auf Basis ministerieller Ausnahmegenehmigungen zugelassen. Seit Inkrafttreten des KonTraG in 1998 bestimmt das Aktiengesetz die ausnahmslose Unzulässigkeit von Mehrstimmrechtsaktien. Dies folgt dem Grundsatz „eine Aktie – eine Stimme“. Die letzten Mehrstimmrechte sind 2003 ausgelaufen und erloschen.

Nunmehr soll es wieder ermöglicht werden, Mehrstimmrechtsaktien zu schaffen. Vor allem dort, wo ein innovatives Geschäftsmodell und spezifisches Know-how eines Gründers oder einer Gründergruppe ein Unternehmen tragen und prägen, hegen diese Gründer gelegentlich starke Vorbehalte dagegen, Investoren eine umfangreiche Mitsprache einzuräumen und so die Zügel aus der Hand zu geben. Wenn eine Eigentümergruppe es scheut, Einfluss und Kontrolle aufzugeben, gleichzeitig jedoch ein hoher Eigenkapitalbedarf besteht, mag eine Stimmrechtsdifferenzierung die Lösung sein.

Der Personenkreis, der Inhaber der Mehrstimmrechtsaktien sein kann, kann frei bestimmt werden. Auch mehrere Gattungen von Mehrstimmrechtsaktien mit unterschiedlich hohen Mehrstimmrechten können geschaffen werden. Allerdings dürfen die Mehrstimmrechte höchstens das zehnfache Stimmrecht einer Stammaktie betragen. 
Außerdem will das Gesetz sicherstellen, dass die Mehrstimmrechte erlöschen, wenn der Zweck der Mehrstimmrechte, den bisherigen Inhabern nach dem Börsengang in der Wachstumsphase die Kontrolle und den Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu sichern, entfällt. Aus diesem Grunde erlöschen die Mehrstimmrechte im Falle eines Börsengangs bei einer Übertragung der Aktien und spätestens zehn Jahre nach Börsengang.

Beschleunigung der Wirksamkeit von Kapitalerhöhungen
Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit nicht vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss sollen künftig nicht im Wege einer Anfechtungsklage ausgetragen werden, sondern werden dem Spruchverfahren zugewiesen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass eine solche Kapitalerhöhungen zeitnah nach der Beschlussfassung eingetragen und wirksam wird. Die bislang statthafte Anfechtung kann dazu führen, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss für die Dauer des Verfahrens und damit für einen längeren Zeitraum nicht eingetragen und damit nicht wirksam werden kann. 

Diesem Änderungsvorschlag liegt weniger zugrunde, dass der Missbrauch von Anfechtungsklagen vermieden werden soll, sondern vielmehr der Wunsch nach einer Beschleunigung der Eintragung der Kapitalerhöhung. Insbesondere mit Blick auf ausländische Kapitalgeber soll eine Verfahrensbeschleunigung die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen auf dem internationalen Kapitalmarkt stärken. Dabei soll den betroffenen Aktionären nicht das Recht auf eine angemessene Auszahlung genommen werden. Es wird nur das Verfahren zur Überprüfung so geändert, dass es erst nach Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses durchgeführt werden kann. Eine etwaige Ausgleichszahlung soll dann in bar oder durch Gewährung von Aktien erfolgen können.

Beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss (20%er) bleibt es hingegen bei der bewährten Praxis. Diese Beschlüsse können weiterhin angefochten werden. Das wird damit begründet, dass in vielen solchen Fällen eine Entscheidung im Freigabeverfahren das Verfahren beschleunigen könne, weil es sich hierbei wegen der notwendigen Orientierung am Börsenkurs nicht um schwierige Bewertungsfragen handele.