- 02. Februar 2023
- Rechnungslegung
Schreckgespenst Inflation - Vorsicht bei der Jahresabschlusserstellung!
Von einer Krise in die nächste. So fühlt es sich aktuell an. Mit dem Lockern der pandemischen Einschränkungen hofften wir alle - und eben auch die Wirtschaft und ihre Akteure -, zurück zur „Normalität“ zu finden. Nun stehen wir vor historisch hohen Inflationsraten und steigenden Zinsen und unsere Wirtschaft sowie unsere Unternehmen damit vor enormen Herausforderungen und großem Druck.
Die Auswirkungen belaufen sich dabei nicht nur auf die Bewertung von Unternehmen am Kapitalmarkt oder deren Aktienkurse, sondern machen sich ebenso in der laufenden Rechnungslegung und folglich in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung bemerkbar.
Was ist eigentlich Inflation und wie entsteht sie?
Unter Inflation verstehen wir eine Verminderung des Geldwertes oder eine Steigung des allgemeinen Preisniveaus. Wörtlich übersetzt heißt Inflation „aufblasen“ oder „aufblähen“. Wächst die Geldmenge in einem Land schneller als die Produktion, steigt die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen an. Dadurch erhöhen sich schließlich die Preise.
Die Bundesregierung rechnet für 2023 mit einem geringeren Anstieg des Verbraucherpreisniveaus um 6,0 Prozent gegenüber vergangenem Jahr. 2022 erlebte Deutschland eine historisch hohe Inflationsrate von durchschnittlich 7,9 Prozent, im Herbst betrug diese sogar zehn Prozent.
Warum spreche ich von steigenden Zinsen, wenn im Titel zu diesem Beitrag nur von der Inflation die Rede ist? Weil die Inflationsraten so ein hohes Niveau erreicht haben, dass die EZB (Europäische Zentralbank) nach Jahren der Nullzinspolitik nun Handlungsbedarf sieht. So wurde der Leitzins auf 2,0 % angehoben, um die Geldmenge, welche sich zurzeit im Umlauf befindet, zu reduzieren. Die EZB nutzt ihre geldpolitischen Instrumente (Offenmarktgeschäfte, Ständige Fazilitäten, Mindestreserve) zur Inflationseindämmung mit der Folge eines Anstiegs des Zinsniveaus. Ein weiterer Anstieg des Leitzinses um 0,5%-Punkte ist geplant.
Die hohen Inflationsraten erklären sich zum einen durch eine lockere Geldpolitik in Kombination mit einem niedrigen Zinsniveau. Befeuert wurde die Inflation zudem von umfangreichen Corona Unterstützungsprogrammen, die für einen massiven Anstieg der Geldmenge sorgten. Dem Anstieg der Geldmenge steht jedoch eine Reduzierung des Bruttoinlandsproduktes gegenüber. Kurz gesagt, es wurde Geld verteilt, dem keine erbrachte Leistung gegenübersteht mit der Folge, dass die Kaufkraft des Geldes sinkt und das Preisniveau an Stabilität verliert. Des Weiteren haben die weltweiten logistischen Herausforderungen zu Handelsengpässen geführt, was wiederrum zu einer verstärkten Nachfrageinflation führte – die Nachfrage nach Gütern war und ist aufgrund der verfügbaren Geldmenge höher als das zur Verfügung stehende Angebot. Aufgrund der Angebotsknappheit können Unternehmen die Preise für Güter und Dienstleistungen erhöhen.
Anderseits kann aufgrund der gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise von einer Angebotsinflation gesprochen werden. Hierbei wird der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus durch höhere Produktionskosten verursacht.
Hinzu kommt eine Abwertung des Euro. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve – kurz Fed – war Vorreiter in Bezug auf die Erhöhung des Zinsniveaus, was wiederum dafür sorgte, dass eine Art Kapitalflucht aus dem Euro- in den US-Dollar-Währungsraum stattgefunden hat. Für Dollar gab es schlichtweg bessere Zinsen, was zu einer Abwertung des Euro führte und die Inflation im Euroraum weiter anheizte.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Inflation eine Vielzahl von Gründen hat. Die Kombination der diversen Ursachen wirkt regelmäßig als Brandbeschleuniger. Ansonsten wäre es für die Politik auch ein Leichtes, die Inflation mit geeigneten Maßnahmen zu bekämpfen.
Auswirkungen auf Bilanz und GuV
Um nun zu verstehen, wie sich eine steigende Inflation und damit zusammenhängend steigende Zinsen auf die Bilanz und GuV auswirken, muss man zuerst verstehen, welchen Effekt die Niedrigzinslandschaft der vergangenen Dekade auf die Rechnungslegung der Unternehmen hatte.
- Monetäre Bilanzposten der Aktivseite, wie z.B. Bankguthaben, waren durch niedrige Zinsen und teilweise sogar zu zahlende Einlagezinsen eher unattraktiv.
- Nicht monetäre Aktivbilanzposten, wie z.B. Immobilien oder Beteiligungsansätze, profitierten, besonders in der Finanzierung, durch ein niedriges Zinsniveau.
Die Passivseite der Bilanz zeigte umgekehrte Effekte auf:
- Nicht monetäre Bilanzposten der Passiva, wie beispielsweise Pensionsrückstellungen, wurden durch niedrige Zinsen aufgewertet und belasteten damit das Ergebnis.
- Monetäre Passivbilanzposten, wie z.B. Darlehen, waren günstig und daher positiv durch das Niedrigzinsniveau beeinflusst.
Die naheliegende Vermutung, dass ein steigendes Zinsniveau positive Auswirkungen auf die Bilanzen der Wirtschaftsakteure hat, ist ein Trugschluss, der ganz simpel damit zu erklären ist, dass die Veränderung von Inflationsrate und Zinsniveau deutlich zu schnell stattgefunden hat. Die positiven Effekte steigender Zinsen zeigen sich erst nach längerer Zeit, wobei die negativen Effekte sich bereits jetzt zu erkennen geben.
Wo sich auf der Aktivseite niedrige Zinsen positiv ausgewirkt haben, geraten Unternehmen bezüglich dieser nicht monetären Bilanzposten nun massiv unter Druck. Steigende Kapitalkosten führen bei nicht entsprechend steigenden Cashflows zu sinkenden Unternehmenswerten. Mit historisch hohen Inflationsraten werden auch Unternehmen auf den Beschaffungsmärkten mit gestiegenen Einkaufpreisen konfrontiert, die sie nicht in der Gesamtheit an ihre Kunden weiterbelasten können. Folglich sinken die Margen, sinken die Cashflows und sinken die Ergebnisse. Auch in Bezug auf Immobilien sind Unternehmen gefragt, den Effekt der steigenden Zinsen bei gleichzeitig steigenden Kosten zu analysieren und die Auswirkungen auf Bewertungsansätze zu prüfen. Hier führen inflationsbedingt gestiegene Baukosten, gestiegene Kosten der Fremdfinanzierung und die bei steigendem Zinsniveau zu beobachtende Abwanderung von Investoren zu Staatsanleihen zu höheren Renditeanforderungen, was fallende Preise zur Folge hat.
Die erwarteten positiven Effekte auf die monetären Aktivbilanzposten lassen in der Regel etwas länger auf sich warten. Die Inflationsraten hingegen sind bereits zu spüren und entwerten die hier zur Verfügung stehenden liquiden Mittel.
Stellen wir den monetären Aktivbilanzposten ihr passives Pendant gegenüber, wissen wir, dass Banken die steigenden Zinsen deutlich schneller auf Ihre Kunden umlegen als wir den positiven Zinseffekt bei unseren Barbeständen spüren. Beobachtbar daran, dass Zinssätze für langfristige Finanzierungen innerhalb kürzester Zeit von unter 1,0% p.a. auf über 3,0% p.a. angestiegen sind.
Schauen wir uns die nicht monetären Passivbilanzposten an, ist auch hier kein positiver Effekt zu entdecken. Grund hierfür ist die Abzinsung von Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der letzten sieben bzw. zehn Jahre (für sonstige und Pensionsrückstellungen). Dieser weit in die Niedrigzinsdekade reichende Durchschnitt löscht den Entlastungseffekt steigender Zinsen auf langfristige Rückstellungen damit nahezu vollständig aus. Weiterhin werden die Rückstellungen inflationsbedingt höher zu bewerten sein, da Abzinsungseffekte von den Inflationseffekten (Kostensteigerungen) deutlich überstiegen werden.
Neben der Bilanz ist selbstredend auch die GuV den Effekten der steigenden Inflation ausgesetzt. Preissteigerungen am Beschaffungsmarkt, die sich nicht 1:1 auf die Kunden umzulegen lassen, werden die Materialaufwendungen verhältnismäßig stärker ansteigen lassen als die einhergehenden Umsatzerlöse und führen damit zu niedrigeren Margen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob Einkaufs- oder Verkaufskontrakte bestehen, die bereits zum Jahresabschlussaufstellungsdatum wissentlich mit negativen Margen belastet sind, sodass die Pflicht zur Abwertung von Vorratsbeständen oder zur Bildung von Drohverlustrückstellungen besteht. Auch werden in Inflationszeiten die Rufe nach Lohnanpassungen lauter, was bei Umsetzung zum Anstieg der Personalaufwendungen führt und die Gewinnmargen weiterhin schmelzen lässt. Die Aussagekraft des Jahresergebnisses ist also besonders in diesen Zeiten kritisch zu würdigen und die positiven Effekte der steigenden Zinsen noch abzuwarten.
Zusammenfassend befinden wir uns in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, in denen Unternehmen ihre Zahlen, Daten und Fakten richtig einzuordnen wissen müssen und gleichzeitig einen vermehrten Fokus auf die Anpassung ihrer (Finanz-)Planungen legen sollten. Diese Überlegungen sollten sich zudem in den Lageberichten der Gesellschaften entsprechend widerspiegeln.
Unter Mitarbeit von Vitus Klatt, B. A