• 28. August 2025
  • Gesellschaftsrecht und M&A

Update zur Beweislastverteilung im Direktprozess gegen den D&O-Versicherer

Geschäftsleiter haften gegenüber der Gesellschaft für jede fahrlässige Pflichtverletzung, soweit hierdurch ein Vermögensschaden bei der Gesellschaft entsteht. Hierzu regelt § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG eine Beweislastumkehr für die Frage, ob eine Pflichtverletzung und das diesbezügliche Verschulden vorliegen – die Geschäftsleiter müssen sich entlasten, um der Haftung zu entgehen. Lange Zeit war ungeklärt, ob diese Beweislastumkehr auch im Direktprozess gegen den D&O-Versicherer gilt. Nachdem dem OLG Köln positionierte sich kürzlich auch das OLG Frankfurt a. M. in diese Richtung.

Beweislastverteilung

Zur Erinnerung: Gelingt es der geschädigten Gesellschaft, im Haftungsprozess gegen ihren Geschäftsleiter einen Sachverhalt vorzutragen, aus dem sich zumindest die Möglichkeit einer Pflichtverletzung durch den Geschäftsleiter sowie ein hierauf beruhender Vermögensschaden ergibt, ist das Verschulden indiziert und das Organ trifft gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Darlegungs- und Beweislast, dass es entweder pflichtgemäß oder ohne Verschulden gehandelt hat oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre. Grundgedanke dieser Beweislastumkehr ist, dass der Geschäftsleiter die Entscheidungsgrundlagen und seine Motivlage selbst am besten kennt.

Die Beweislastumkehr im Direktprozess

Ob diese Beweislastverteilung auch im Direktprozess der geschädigten Gesellschaft gegen den D&O-Versicherer gilt, war lange Zeit unklar. Die geschädigte Gesellschaft kann gegen den Versicherer klagen, wenn der versicherte Geschäftsleiter seinen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer an die Gesellschaft abtritt (sog. Direktprozess). Auf den ersten Blick hat der Versicherer allerdings nicht dieselbe Nähe zu den Entscheidungsgrundlagen wie der Geschäftsleiter. In der Literatur gibt es daher Stimmen, die sich gegen eine Anwendung der Beweislastumkehr im Direktprozess aussprechen. Nachdem das OLG Köln (Urteil vom 21. November 2023 – 9 U 206/22) die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auch im Direktprozess anerkannt hatte, schloss sich nun auch das OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 8. Mai 2025 – 3 U 113/22) dieser Auffassung an.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.

Das OLG Frankfurt a.M. führt aus, durch die Abtretung einer Forderung veränderten sich ihre Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich nicht und eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG sei nicht gerechtfertigt. Es sei nicht einzusehen, weshalb die – vom Gesetzgeber mit § 108 VVG bewusst gestattete – Abtretung des Freistellungsanspruchs die Beweissituation zu Lasten der geschädigten Gesellschaft verschieben solle. Der Versicherer habe nämlich nur scheinbar nicht dieselbe Nähe zu den Entscheidungsgrundlagen wie der Geschäftsleiter. Dem Versicherer habe schließlich ein uneingeschränktes Informationsrecht gegen den versicherten Geschäftsleiter. Ferner sei der Versicherer bei getrennter Führung von Haftungs- und Deckungsprozess ebenfalls an das Ergebnis des Haftpflichtprozesses (jedenfalls in Bezug auf die Frage der Pflichtverletzung bzw. des Verschuldens) gebunden, sodass sich auch auf diesem Wege die Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherers ausgewirkt hätte. Im Direktprozess könne der Versicherer hingegen sogar unmittelbar Einfluss auf den Rechtsstreit nehmen.

Schließlich sei es für die geschädigte Gesellschaft auch deshalb nicht zumutbar, die Beweislast für die Pflichtverletzung und dass Verschulden zu tragen, weil sie dabei den „Drahtseilakt“ meistern müsste, ausreichenden Sachverhalt für die Pflichtverletzung zu beweisen, ohne eine deckungsausschließende Wissentlichkeit der Pflichtenverletzung zu indizieren.

Beweislastumkehr auch zugunsten des Insolvenzverwalters

Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung noch, dass Sie in einer Konstellation ergangen ist, in der keine der Prozessparteien unmittelbar am Schadenfall beteiligt war. Kläger war der Insolvenzverwalter in sog. gesetzlicher Prozessstandschaft für die inzwischen insolvente Gesellschaft. Beklagte war die D&O-Versicherung.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. dazu beiträgt, dass künftig häufiger als bislang Direktprozesse gegen den D&O-Versicherer geführt werden.

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