- 03. Juli 2023
- Arbeitsrecht
Wird Vier das neue Fünf? – Eine arbeitsrechtliche Betrachtung des Arbeitsmodells „Vier-Tage-Woche“
In der Diskussion, wie man dem Fachkräftemangel entgegentreten kann, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Manche fordern beispielsweise, die wöchentliche Arbeitszeit auf 42 Arbeitsstunden zu erhöhen. Ein anderer Ansatz ist es, die Arbeitgeberattraktivität durch moderne Arbeitsformen zu steigern. Einen möglichen Lösungsansatz hierfür könnte etwa die Einführung der Vier-Tage-Woche bieten. Die wichtigsten Aspekte, die Arbeitgeber bei der Einführung bzw. Umsetzung dieses Arbeitsmodells zu beachten haben, sollen im Folgenden aus arbeitsrechtlicher Sicht beleuchtet werden:
Grenzen des Arbeitszeitgesetzes
Grundidee der Vier-Tage-Woche ist, bei gleichbleibendem Gehalt nur noch an vier Tagen pro Woche zu arbeiten. Ob mit Einführung dieses Arbeitsmodells die bisherige wöchentliche Arbeitszeit beibehalten werden kann oder verkürzt werden muss, hängt insbesondere von den Vorgaben und Grenzen des Arbeitszeitgesetzes ab.
Danach darf die werktägliche Arbeitszeit der Mitarbeitenden grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten, wobei als Werktag jeder Kalendertag gilt, der kein Sonntag oder gesetzlich festgelegter Feiertag ist. Dies gilt unabhängig davon, ob er für den jeweiligen Beschäftigten ein Arbeitstag ist oder nicht, so dass bei allen Berechnungen im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) die Sechs-Tage-Woche zugrunde zu legen ist. Damit ergibt sich bei einer werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden ein im Durchschnitt zulässiges wöchentliches Arbeitszeitvolumen von 48 Stunden.
Die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden kann auf bis zu zehn Stunden erhöht werden, wenn die Verlängerung innerhalb der gesetzlichen Ausgleichszeiträume gemäß § 3 Satz 2 ArbZG (innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen) ausgeglichen wird.
Bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als sechs Werktage pro Woche, kann also mehr als acht, höchstens aber bis zu zehn Stunden pro Werktag gearbeitet werden. Maximal zulässig wäre es daher, 40 Wochenstunden auf vier Tage zu verteilen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass an diesen vier Arbeitstagen keine darüberhinausgehenden Überstunden bzw. Mehrarbeit angeordnet werden dürften, da sonst die werktägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden überschritten würde. Gleitzeit ist bei einer Vier-Tage-Woche nur hinsichtlich der konkreten Lage der zehn Arbeitsstunden möglich, indes nicht mit Blick auf eine Umverteilung auf mehr als zehn Stunden an einem der vier Arbeitstage.
Dagegen wäre in Arbeitsverhältnissen, die eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden vorsehen, eine Vier-Tage-Woche nicht ohne gleichzeitige Verkürzung der Arbeitszeit umsetzbar.
Zudem besteht – unabhängig von der aktuellen Debatte um die allgemeine Aufzeichnungspflicht für die Arbeitszeit – die Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit des jeweiligen Arbeitnehmers aufzuzeichnen. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Schließlich muss der Arbeitgeber auch die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen- und Ruhezeiten, sowie weitere gesetzliche Einschränkungen, z.B. nach MuSchG bzw. JArbSchG, beachten.
Auch auf den Urlaubsanspruch des Mitarbeitenden hat die geänderte Verteilung der Arbeitszeit auf weniger Wochentage Auswirkungen (siehe weitergehend hierzu: Beitrag von Greta Groffy vom 17.10.2018 - Von Voll- in Teilzeit: und dann monatelang Urlaub?.
Einführung der Vier-Tage-Woche
Einen gesetzlichen Anspruch der Beschäftigten auf Einführung der Vier-Tage-Woche gibt es in Deutschland derzeit nicht. Der Arbeitgeber kann jedoch grundsätzlich im Rahmen seines Weisungsrechts die Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit auf vier Arbeitstage in der Woche bei gleichbleibendem Arbeitsentgelt anordnen, sofern in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag nichts Abweichendes vereinbart wurde.
Andernfalls ist eine einvernehmliche Regelung erforderlich. Gleiches gilt, wenn nicht nur die Arbeitszeit auf vier Tage umverteilt, sondern gleichzeitig das Arbeitsvolumen reduziert werden soll.
Bei der Umsetzung der Vier-Tage-Woche ist jedoch zu beachten, dass der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird und dies nicht zu einer Ungleichbehandlung – beispielsweise mit Blick auf einzelne Mitarbeitergruppen oder bestehende Vergütungsstrukturen – führt.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Vorbehaltlich gesetzlicher oder tariflicher Regelungen steht dem Betriebsrat bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Dem Mitbestimmungsrecht unterfällt auch die Frage, ob an vier oder fünf Tagen in der Woche gearbeitet werden soll sowie die Dauer der täglichen Arbeitszeit.
Fazit
Rechtlich möglich ist die Einführung der Vier-Tage-Woche bereits jetzt, sofern hierbei insbesondere die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes beachtet werden. Ob und wie dieses Arbeitsmodell jedoch umgesetzt werden kann, hängt noch von zahlreichen weiteren Faktoren ab. Für Arbeitgeber kann dieses Arbeitsmodell aber durchaus eine Chance bieten, die Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu steigern und dem Fachkräftemangel entgegen zu treten, wenn sich dieses Arbeitsmodell für das jeweilige Unternehmen eignet.