- 19. Mai 2025
- Arbeitsrecht
Zugang eines Kündigungsschreibens: Beweis des Zugangs bei Einwurf-Einschreiben
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 30. Januar 2025, Az. 2 AZR 68/24, die Anforderungen an den Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens für den Arbeitgeber konkretisiert. Der Arbeitgeber kommt seiner Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend nach, wenn er lediglich den Einlieferungsbeleg und den Sendungsstatus bei einem Einwurf-Einschreiben vorlegt. Maßgeblich für die Annahme des Anscheinsbeweises zugunsten des Arbeitgebers ist die Vorlage des Auslieferungsbelegs.
Problemaufriss: Ohne geeigneten Zustellungsnachweis sind Kündigungen nicht durchsetzbar
Generell gilt, dass die Kündigung schriftlich erklärt werden und das Originalschreiben bei dem Arbeitnehmer ankommen muss. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber im Rahmen des Prozesses die Darlegungs- und Beweislast für den ordnungsgemäßen Zugang des Kündigungsschreibens bei dem Kündigungsempfänger. Der Arbeitgeber hat eine lückenlose Beweiskette darzulegen, die keinen wesentlichen Zweifel zulässt, dass das Kündigungsschreiben dem Kündigungsempfänger zugestellt wurde. Hierdurch kann vermieden werden, dass der Arbeitnehmer sich mit der Behauptung verteidigen kann, er habe das Kündigungsschreiben nicht erhalten. Dieser Nachweis kann dem Arbeitgeber beispielsweise durch Benennung einer konkreten Person, die den Einwurf in den Briefkasten bezeugen kann, gelingen.
Dem Arbeitgeber stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, ein Kündigungsschreiben zuzustellen. Es stellt sich in der Praxis vor allem die Frage, welche Art der Versendung eine geeignete Zustellungsmethode darstellt. Eine sichere Methode ist die Zustellung per Boten. Ist dieser und seine ladungsfähige Anschrift bekannt – oder können diese Angaben ggf. durch einen Kurierdienst mitgeteilt werden – kann gewährleistet werden, dass die Zustellung durch den Zeugen bewiesen werden kann. Eine Versendung mittels Einschreibens mit einem Rückschein ist vor allem in dem Fall untauglich, wenn der Empfänger nicht anwesend ist. Denn der Zusteller soll den Brief persönlich an den Empfänger abgeben und sich den Eingang mit der Unterschrift quittieren lassen. Ist der Empfänger nicht anwesend oder weigert sich, den Erhalt zu bestätigen, wird das Schreiben niedergelegt und geht grundsätzlich erst – wenn es überhaupt dazu kommt – bei der Abholung zu. Die einzuhaltende Frist kann dann bereits abgelaufen sein.
Ferner kann das Einwurf-Einschreiben aufgrund des geringen Aufwands eine geeignete Zustellungsmethode darstellen. Vorteilhaft ist das Einwurf-Einschreiben vor allem, da bereits Gerichte (z.B. das LAG Köln, Urt. v. 14.8.2009, Az. 10 Sa 84/09, BeckRS 2010, 66142) annehmen, dass bei einer nachgewiesenen Absendung und der regulären Zustellung eines Einwurf-Einschreibens ein Anscheinsbeweis für den Zugang des Schreibens vorliegt. Bei einem Anscheinsbeweis wird eine Beweiserleichterung bei typischen Lebenssachverhalten geschaffen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Der Arbeitnehmer müsste bei Vorliegen eines Anscheinsbeweises konkret darlegen und beweisen, dass ausnahmsweise kein typischer Lebenssachverhalt vorgelegen hat.
Es stellt sich insofern die Frage, was in Bezug auf ein Einwurf-Einschreiben dargelegt werden muss, um den Anforderungen an einen Anscheinsbeweis zu genügen.
Der Sachverhalt der Entscheidung des BAG v. 30.01.2025
Mit dieser Frage setzte sich das BAG in der Entscheidung vom 30.01.2025 auseinander. Dieser lag folgender Sachverhalt zugrunde:
In dem zu entscheidenden Fall ging es um die Zustellung des Kündigungsschreibens mittels Einwurf-Einschreibens. Die Arbeitgeberin erhielt bei der Einlieferung des Schreibens den Einlieferungsbeleg der Deutschen Post AG, aus welchem sich das Datum und die Zeit der Einlieferung ergaben. Sie legte ferner den online abgerufenen Sendungsstatus vor, aus welchem sich eine Zustellung bei der Arbeitnehmerin entnehmen ließ. Die Arbeitnehmerin behauptete, das Kündigungsschreiben nicht erhalten zu haben. Die Arbeitgeberin war der Auffassung, das von ihr versandte Kündigungsschreiben sei der Arbeitnehmerin zugegangen und habe das Arbeitsverhältnis wirksam beendet. Zwei Mitarbeiterinnen der Arbeitgeberin haben das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt, woraufhin eine der beiden Mitarbeiterinnen den Umschlag zur Deutschen Post AG gebracht und persönlich als Einwurf-Einschreiben aufgegeben habe. Die Arbeitgeberin berief sich auf das Bestehen eines Anscheinsbeweises. Sie legte daher den Einlieferungsbeleg sowie den im Internet abgefragten Sendungsstatus vor Gericht vor („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“). Einen Auslieferungsbeleg legte die Arbeitgeberin nicht vor, weil sie diesen nicht rechtzeitig abgerufen hatte.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG entschied, dass die Arbeitgeberin der ihr gerichtlich obliegenden Darlegungs- und Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens nicht ausreichend nachgekommen war. Insbesondere konnte sie keine Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergab, dass das Kündigungsschreiben mit ausreichender Gewissheit rechtzeitig in den Briefkasten der Arbeitnehmerin eingeworfen wurde. Vor allem konnte die Arbeitgeberin keinen Zeugen benennen, welcher den Einwurf vorgenommen hat.
Das BAG lehnte auch das Vorliegen eines Anscheinsbeweises im Rahmen der Versendung per Einwurf-Einschreiben ab. Ein solcher Anscheinsbeweis konnte sich nicht allein daraus ergeben, dass die Arbeitgeberin sowohl den Einlieferungsbeleg als auch die entsprechende Sendungsnummer und den Sendungsstatus online abrufen konnte und vorlegte. Es konnte allein aus diesen Umständen nicht darauf geschlossen werden, dass das Schreiben der Arbeitnehmerin auch tatsächlich zugegangen war. Erforderlich gewesen wäre vor allem die Vorlage des Auslieferungsbelegs, welchen die Arbeitgeberin nicht vorlegen konnte. Es fehlten daher dokumentierte Angaben zu der Person, die das Schreiben eingeworfen hat, sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung. Denn auf dem Auslieferungsbeleg steht, an wen die Zustellung erfolgt ist, zu welcher Uhrzeit und unter welcher Adresse und in welchem Zustellbezirk die Zustellung stattgefunden hat. Die Informationen lassen sich gerade nicht aus dem Einlieferungsbeleg oder dem abgerufenen Sendungsstatus entnehmen.
Einschätzung und Handlungsempfehlung
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, bei Kündigungen darauf zu achten, den Nachweis der Zustellung sicherzustellen. Wenn man sich auf den Anscheinsbeweis eines Einwurf-Einschreibens verlassen will, sollte daher im Vorfeld mit dem Versanddienstleister geklärt werden, ob bei der Versendung des Schreibens auch ein Auslieferungsbeleg mit den notwendigen Angaben abgerufen werden kann. In diesen Fällen kann das Einwurf-Einschreiben eine Möglichkeit für den Arbeitgeber sein, zumindest die Zustellung des Kündigungsschreibens nachzuweisen.
Bei Kündigungen und anderen fristgebundenen Erklärungen dürfte es deshalb wegen der bestehenden Unwägbarkeiten weiterhin die „best practise“ sein, eine Zustellung per Kurier oder durch eine persönliche Übergabe durch oder im Beisein eines tauglichen Zeugen zu bewirken.