• 23. Mai 2025
  • Arbeitsrecht

Altersdiskriminierung bei Stellenanzeigen: „Berufseinsteiger oder ca. sechs Jahre Erfahrung“ reicht nicht für AGG-Anspruch

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) hatte sich damit zu befassen, ob die Formulierung in einer Stellenanzeige „Berufseinsteiger oder Personen mit bis ca. sechs Jahren Berufserfahrung“ diskriminierenden Charakter hat. 

Sachverhalt

Der Kläger – ein im Jahr 1973 geborener, seit vielen Jahren als Rechtsanwalt tätiger Jurist – hatte sich auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Position als „Syndikusrechtsanwalt (m/w/d) Wirtschaftsrecht“ beworben. Die Stellenanzeige richtete sich an „Berufseinsteiger oder Personen mit bis ca. sechs Jahren Berufserfahrung“.

Der Kläger, dessen beruflicher Werdegang sich über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckte, erhielt eine Absage. Er war der Ansicht, die Beklagte habe „Berufseinsteiger“ mit einer Obergrenze von „ca. 6 Jahren Berufserfahrung“ gesucht und vermutete darin eine altersbedingte Benachteiligung i.S.v. § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Er machte daraufhin eine Entschädigung von 28.000 Euro (vier Monatsgehälter) nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Vor dem Arbeitsgericht hatte er mit seiner Klage zunächst Erfolg – doch das LAG hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen – das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidung

Durch seine Entscheidung erteilte das LAG einer Ausweitung der AGG-Rechtsprechung auf vage formulierte Berufserfahrungsgrenzen eine deutliche Absage. Eine mittelbare Altersdiskriminierung sei nicht erkennbar.

Entscheidend sei, so das LAG, dass die Beklagte in ihrer Ausschreibung nicht eine feste Obergrenze an Berufsjahren verlangt habe, sondern ausdrücklich einen „Circa-Wert“ von sechs Jahren angab. Damit sei die Anzeige offen für Bewerber und Bewerberinnen jeder Altersgruppe. Auch sei klar gewesen, dass sich die Berufserfahrung auf bestimmte juristische Fachgebiete – etwa das Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht – bezog. Eine rein quantitative Bewertung der Berufsjahre ohne sachlichen Bezug zum Aufgabenprofil sei somit gerade nicht erfolgt. Vielmehr seien auch „Quereinsteiger“ angesprochen worden.

Auch der optische Gesamteindruck der Anzeige wurde ausgewertet. Die Darstellung jüngerer Mitarbeitenden und des Recruiting-Teams stellt nach Ansicht des Gerichts kein Indiz für eine altersbedingte Diskriminierung dar. Ein solcher Rückschluss auf das gewünschte Bewerberprofil ließe sich aus der bildlichen Darstellung nicht herleiten, andernfalls dürften Arbeitgeber und Arbeitergeberinnen in ihren Anzeigen gar keine Fotos mehr verwenden, ohne Diskriminierungsvorwürfe zu riskieren.

Die von der Beklagten im Prozess angeführte Begründung für die Absage – mehrere kurze Beschäftigungsverhältnisse des Klägers sowie eine insgesamt als unstet eingeschätzte berufliche Historie – hielt das Gericht für nachvollziehbar und legitim. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dürften grundsätzlich Bewerberprofile anhand objektiver Kriterien bewerten, solange diese nicht in diskriminierender Weise an § 1 AGG anknüpfen. Dass Lebensläufe mit zunehmendem Alter typischerweise „brüchiger“ würden, sei ein pauschaler Erfahrungssatz, den das Gericht ausdrücklich nicht teilte.

Praxishinweise

Die Entscheidung stärkt die Position von Arbeitgeber und Arbeitergeberinnen bei der Formulierung praxisnaher und differenzierter Anforderungsprofile in Stellenanzeigen. Die bloße Bezugnahme auf eine bestimmte Spanne an Berufserfahrung – insbesondere bei Verwendung eines „ca.“-Zusatzes – wird nicht per se als Indiz für eine Altersdiskriminierung gewertet. Der Verweis auf relevante Berufserfahrung in spezifischen Tätigkeitsbereichen kann ein legitimes Kriterium für die Bewerbungsauswahl sein, selbst wenn dadurch vorwiegend jüngere Bewerber und Bewerberinnen angesprochen werden.

Für Arbeitgeber und Arbeitergeberinnen bedeutet dies aber keineswegs einen Freibrief. Trotz der differenzierten Argumentation des LAG ist weiterhin Vorsicht geboten. Gerade die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG, Urt. v. 11.08.2016 – 8 AZR 809/14) zu Begriffen wie „Berufseinsteiger“ oder „bis zu fünf Jahre Berufserfahrung“ zeigt, dass sprachliche Nuancen auf rechtlicher Ebene entscheidend sein können. In einem anderen Fall (BAG, Urt. v. 26.01.2017 – 8 AZR 73/16) hielt das BAG eine Stellenausschreibung für unbedenklich, die sich an Volljurist und Volljuristinnen „mit ersten einschlägigen Berufserfahrungen“ richtete und zugleich betonte: „aber auch Berufsanfänger, die in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessenschwerpunkte wiedererkennen, sind willkommen“. Die Formulierung wurde nicht als altersdiskriminierend gewertet, da sie Personen jeder Erfahrungsstufe offen ansprach und die Anforderungen auf die fachliche Eignung bezogen waren.

Stellenanzeigen sollten also sorgfältig formuliert sein – Anforderungen an die erforderliche Berufserfahrung sollten nicht als „absolutes Ausschlusskriterium“ formuliert werden und der Ausrichtung des Arbeitsplatzes entsprechen. Begriffe wie „ca. sechs Jahre“ statt „maximal fünf Jahre“ können im Zweifel über den Ausgang eines Verfahrens entscheiden. Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz liefert eine erfreuliche Klarstellung: Es kommt nicht auf Schlagworte, sondern auf den Gesamtzusammenhang und die sachliche Ausrichtung des Anforderungsprofils an. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind gut beraten, die Entscheidungen im gesamten Bewerbungsprozess sorgfältig zu dokumentieren, um mögliche Benachteiligungen widerlegen zu können.

Weiterführende Links:

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.12.2024 - 5 SLa 81/24

Esche-Blog: Arbeitgeber sucht „Digital Native“: Ein Fall von Altersdiskriminierung?

Esche-Blog: LAG Hamm: Keine Entschädigung bei AGG-Hopping als „Geschäftsmodell“

BAG, Urteil vom 11.08.2016 - 8 AZR 809/14

BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 73/16